Literaturagentin Altas

«Bern hat eine sehr lebendige und vielfältige Literaturszene»

· Online seit 23.11.2022, 19:43 Uhr
Katharina Altas hat im Rahmen des Berner Buchpreises den Spezialpreis gewonnen, mit dem die Stadt Bern spezielle Leistungen für die Literatur würdigt. Sie spricht darüber, wie sie ein potentiell erfolgreiches Buch erkennt und wie lebendig die Berner Szene ist.
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Ganz grundsätzlich: Was sind die Aufgaben einer Literaturagentin?

Ich vertrete als Literaturagentin Autorinnen und Autoren mit ihren Werken. Ich arbeite teilweise auch mit ihnen an den Texten, manchmal kommen die Manuskripte aber bereits fixfertig. Dann suche ich Verlage, mache die Vertragsverhandlungen und bespreche die Ergebnisse der Verhandlungen mit der Autorin oder mit dem Autor. Wenn der Vertrag finalisiert wird, übernimmt dann der Verlag. Ich bin eine Vermittlerin zwischen Autorin oder Autor und Verlag.

Da Sie teilweise an den Texten arbeiten, brauchen Sie auch ein gewisses literarisches Können…

Unbedingt. Man muss die Spreu vom Weizen trennen können. Ich bekomme sehr viele Anfragen und kann momentan eigentlich auch keine neuen Autorinnen oder Autoren aufnehmen. Ich nehme nur in ganz seltenen Fällen neue Vertretungen an. Aber um erkennen zu können, ob ein Manuskript Potential hat oder nicht, muss man eine gewisse Erfahrung haben.

Wie schnell wissen Sie, ob es ein Buch schaffen kann? Ist es eher ein Bauchgefühl oder das Resultat langer Überlegungen?

Wenn ich das erste Mal hineinlese, ist es eher ein Bauchgefühl. Das hat auch mit jahrelanger Übung zu tun. Meistens überzeugt mich ein Manuskript, wenn der Sound eigenwillig ist. Wenn man eine Sprache spürt, die aufhorchen lässt. Aber das heisst nicht, dass ich mich als Agentin nicht auch schon getäuscht habe.

Ist es schon vorgekommen, dass Sie nicht an ein Buch geglaubt haben, das im Nachhinein, doch erfolgreich wurde?

An so einen konkreten Fall kann ich mich nicht erinnern. Aber es gibt eine Anekdote aus meiner Zeit bei der Liepman Agency: Als ich in die Literaturbranche angefangen habe, beim Unionsverlag, habe ich nichts davon gewusst, dass es Literaturagenturen gibt, ich bin durch einen Freund darauf aufmerksam geworden, dass im Backoffice bei Leipman eine Stelle frei wird. Dort war ich zuständig für die Vertragseingaben und unter anderem für die unaufgeforderten Manuskripte. Meine Chefin, Eva Koralnik hat mir immer gesagt: «Katarina, pass mir ja auf, dass uns nicht der nächste Literaturnobelpreisträger durch die Lappen geht.» Das ist mit bisher noch nicht passiert.

Ihre Agentur befindet sich in Bern. Woher kommen Ihre Autorinnen und Autoren?

Vor allem aus dem deutschsprachigen Raum. Es gibt aber immer wieder Ausnahmen. Ich vertrete beispielsweise den Nachlass von Vincent O. Carter. Er ist Afroamerikaner und hat auf Englisch geschrieben. 1953 kam er nach Bern und ist hier hängen geblieben, bis er 1983 leider viel zu früh gestorben ist.  Er hat mit dem «Bernbuch» auch über Bern geschrieben. In der Regel sind es aber schon eher deutschsprachige Autorinnen und Autoren, die ich vertrete.

Kann man von einer Berner Szene sprechen oder arbeiten alle für sich?

Es gibt die die Spoken-Word-Gruppe «Bern ist überall», die gemeinsam etwas gemacht hat. Autorinnen und Autoren arbeiten in der Regel alleine, aber es gibt auch Ausnahmen: Matto Kämpf hat eine Zeit lang mit Rolf Hermann zusammengearbeitet. Meine Autorin Julia Weber tritt im Moment gemeinsam mit ihrem Mann, Heinz Heller, auf. Sie haben beide autofiktionale Bücher geschrieben über das Leben als Autor beziehungsweise Autorin und Elternteile. Es gibt also immer wieder Situationen, in denen sich Autorinnen und Autoren zusammentun. Aber in der Regel ist es eine einsame Sache, Bücher zu schreiben. Im besten Fall hat man Feedback von jemand anderem. Es gibt aber auch Kollektive, wie etwa das Kollektiv Rauf, das von Sarah Elena Müller mit anderen Autorinnen gegründet wurde und bei dem es darum geht, Autorinnen sichtbarer zu machen.

Kann man aber von einer lebendigen Literaturszene in Bern sprechen?

Auf alle Fälle. Wir haben eine sehr lebendige und vielfältige Literaturszene. Ich denke, das Literaturinstitut in Biel trägt auch stark mit dazu bei. Beispielsweise lebt auch der Bestsellerautor Rolf Dobelli mit seiner Frau, Clara Maria Bagus, die ebenfalls Schriftstellerin und regelmässig in den Bestsellern ist, in Bern. Was aber leider fehlt, sind ein Literaturhaus und ein Literaturfestival.

Sie werden selbst mit dem Spezialpreis ausgezeichnet für ihre Rolle in der Kunstvermittlung. Was hat dieser Preis für eine Bedeutung?

Ich war sehr überrascht, als ich erfahren habe, dass ich den Preis erhalten werde. Als Agentin arbeite ich oft im Hintergrund. Ich bin eigentlich nicht sichtbar und stehe in der Regel auch nicht im Impressum der Bücher. Ich versuche, für die Bücher meiner Autorinnen und Autoren die grösstmögliche Aufmerksamkeit zu generieren. Deshalb fühle ich mich sehr geehrt und geschmeichelt. Anscheinend wird doch wahrgenommen, was ich im Hintergrund mache.

Sind Sie selbst auch stolz, wenn ein Buch, das von ihnen vertreten wurde, Erfolg hat?

Unbedingt. Ich freue mich wahnsinnig, wenn meine Autorinnen und Autoren erfolgreich sind. Es ist auch eine Bestätigung meiner Arbeit, dass ich nicht falsch gelegen bin und mein Riecher richtig war. Dass ein Autor oder eine Autorin in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, ist nicht selbstverständlich. Wenn man sich die Neuerscheinungen jedes Jahr anschaut, ist es überwältigend viel. Da aufzufallen ist sehr schwierig.

veröffentlicht: 23. November 2022 19:43
aktualisiert: 23. November 2022 19:43
Quelle: BärnToday

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