Korrektur gefordert

Berner Regierung muss bei der Hilfe für Opfer von Gewalt nachbessern

14.03.2023, 11:30 Uhr
· Online seit 14.03.2023, 10:55 Uhr
Der Berner Regierungsrat muss bei der Opferhilfestrategie über die Bücher. Das Kantonsparlament hat die Vorlage am Dienstag in mehreren Punkten zurückgewiesen.
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Die Opfer häuslicher Gewalt ins Zentrum zu stellen, sei zwar richtig, befand eine Mitte-Links-Mehrheit. Doch müssten auch alle anderen Opfer von körperlicher oder psychischer Gewalt berücksichtigt werden.

Fehl am Platz seien zudem Sanktionen in der Sozialhilfe, die letztlich den Opfern schaden könnten. Ein Mann schlage seine Frau nicht weniger, wenn er deswegen weniger Sozialhilfe beziehe.

Eine Kürzung des Haushaltsbudgets bestrafe Opfer von häuslicher Gewalt womöglich noch stärker als die Täter, sagte Simone Leuenberger (EVP). Bestrafung habe sowieso nichts zu suchen in der Opferhilfe. Für die Ahnung von Straftaten sei das Strafrecht da.

Kritik gab es auch an den Massnahmen im Bereich der Prävention und der Täterarbeit. Diese seien wichtig, sie dürften aber nicht zu Lasten der Budgets und Ressourcen in der Opferhilfe gehen, forderte der Rat mit 83 zu 69 Stimmen. Mit ähnlichen Mehrheiten beschloss er die Rückweisung weiterer Punkte.

Bessere Lösung für Mädchen

Eine bessere Lösung verlangt das Parlament für Mädchen und Jugendliche, die Opfer von Gewalt wurden. Die Unterbringung in einem Frauenhaus sei ungeeignet, sagte etwa Sibyl Eigenmann (Mitte). Der Rat forderte die Regierung auf, eine gemeinsame Lösung mit anderen Kantonen insbesondere aus der Westschweiz anzustreben.

Regierungsrat Pierre Alain Schnegg (SVP) entgegnete, man habe schon 2018 Kontakt mit den Kantonen in der Romandie aufgenommen. Die Reaktionen seien durchwegs negativ oder zumindest zurückhaltend gewesen. Nun habe der Regierungsrat Mittel budgetiert für vier Mädchenplätze in Frauenhäusern.

Natürlich bräuchten Mädchen eine andere Betreuung als Frauen. Die Regierung sehe aber auch einen mehr als doppelt so hohen Betrag pro Tag und Person vor. Das ermögliche es, auf die Bedürfnisse der Mädchen einzugehen.

Weise man die Strategie nun in diesem Punkt zurück, führe dies zu Verzögerungen bei der Umsetzung, warnte Schnegg. Der Rat liess sich davon nicht beirren und beharrte auch in diesem Punkt auf Nachbesserungen.

Angebote im ganzen Kanton

Weiter will der Rat sicherstellen, dass auch in Zukunft kantonsweit Beratungszentren vorhanden sind. Schliesslich gebe es nicht nur in Bern und Biel Gewaltopfer. Niederschwelige Angebote brauche es auch im Oberaargau, im Emmental und im Oberland, hielt Andrea de Meuron (Grüne) fest.

Das sei unbestritten, entgegnete Schnegg. Angestrebt werde lediglich eine Konzentration der verschiedenen Angebote in Bern und Biel. Der Grosse Rat beharrte darauf, dies explizit in der Strategie niederzuschreiben.

«Umsetzung wird verzögert»

Nachdem der Grosse Rat die Strategie in mehreren Punkten zurückgewiesen hatte, verschob er die weitere Beratung des Geschäfts auf eine spätere Session.

Sprecherinnen und Sprecher von SVP, FDP und EDU hatten vergeblich davor gewarnt, wegen «Detailfragen» die in der Stossrichtung richtige Strategie zu bekämpfen. Letztlich werde so die Umsetzung wichtiger und eigentlich unbestrittener Anliegen verzögert.

(sda/sst)

veröffentlicht: 14. März 2023 10:55
aktualisiert: 14. März 2023 11:30
Quelle: BärnToday

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