BärnToday: Stefan Wittwer, welche Faktoren führen überhaupt dazu, dass es an Lehrpersonen mangelt?
Stefan Wittwer, Geschäftsführer des Berufsverbands Bildung Bern: Verschiedene Faktoren führen zu diesem Problem – daher gibt es keine Alleinschuldigen. Hauptgründe sind: Babyboomer werden jetzt in grosser Anzahl pensioniert, viele davon haben hochprozentig unterrichtet. Wir haben geburtenstarke Jahrgänge. Und wir haben den Lehrplan 21 eingeführt, der mehr Lektionen mit sich bringt.
Inwiefern hat sich der Lehrpersonenmangel in letzter Zeit bemerkbar gemacht?
Alle, die Kinder in ihrem Umfeld haben, werden den Lehrpersonenmangel alleine durch die zunehmenden Wechsel von Lehrpersonen und Stellvertretungen im Schulalltag bemerkt haben. Offene Stellen mit ausgebildeten Personen über längere Sicht stabil zu besetzen, es wird immer schwieriger.
Welche Massnahmen sollen nun ergriffen werden?
Per 1. August 2024 sollen die Klassenlehrpersonen entlastet und gestärkt werden. Das ist auch unsere prioritäre Forderung. Klassenlehrpersonen besetzen eine Schlüsselfunktion: Sie halten das aktuell sehr geforderte Schulsystem am Laufen. Eine zweite, sehr wichtige Massnahme ist die Aufstockung der Pensen der Schulleitungen.
Wie genau soll die Position von Klassenlehrpersonen gestärkt werden?
Angedacht ist, dass Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer eine Entlastung von 5 Prozent für die Ausübung ihrer Funktion erhalten. Denn: In den letzten Jahren wurden die Arbeiten einer Klassenlehrperson nachweislich aufwändiger. Beispielsweise wurde die Elternkooperation ausgebaut – das ist sehr wichtig, benötigt aber auch viel Zeit. Abklärungen mit Schülerinnen und Schülern, welche unter psychischen Problemen oder anderen Beeinträchtigungen leiden, sind Aufgaben, die immer bei der Klassenlehrperson landen und nichts mit dem Unterrichten zu tun haben. Die zeitliche Entlastung ist deshalb sehr wichtig.
Wie wichtig ist es, den Lehrpersonenmangel zu bekämpfen?
Ich glaube, die meisten werden der Aussage «Bildung ist der wichtigste Rohstoff der Schweiz» zustimmen. Wir sind überzeugt, dass Kosten im Sozialen und auch im Gesundheitswesen eingespart werden können, wenn wir vor Ort – also an den Schulen – in qualifiziertes, gesundes Personal und so in stabile Beziehungen investieren. Die kommunizierten Massnahmen wurden gemeinsam von der Bildungsdirektion, den Gemeinden und uns als Verband erarbeitet. Nun müssen sie durchkommen. Dazu braucht es die gesamte Politik: Sie muss erkennen, dass diese Massnahmen für eine gute, stabile Bildung und die Behebung des Lehrpersonenmangels nötig sind.
Wie zuversichtlich sind Sie, dass der Mangel an Lehrpersonen durch die getroffenen Massnahmen bekämpft werden kann?
Die beiden vorgestellten Hauptmassnahmen – Stärkung und Entlastung der Klassenlehrpersonen sowie die Aufstockung der Schulleitungen – sind meiner Ansicht nach die absolut wichtigen Prioritäten. Wir werden alles daran setzen und Vollgas geben, damit sie durch den politischen Prozess kommen. Gelingt uns das, sendet das sehr wichtige Signale.
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