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Gemeinden mit eigenen Blitzern im Kanton Bern: Lohnt sich das?

Geldesel?

Warum Gemeinden ihre eigenen Blitzer betreiben – und warum nicht

14.07.2024, 10:43 Uhr
· Online seit 14.07.2024, 07:45 Uhr
Mehrere Gemeinden im Kanton Bern führen selbst Geschwindigkeitskontrollen durch. Andere verzichten darauf, obwohl sie eigentlich könnten – oder haben von eigenen Radaranlagen wieder auf Kontrollen durch die Kantonspolizei gewechselt.
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In Worb prüft die Polizeiabteilung aktuell, ob die Gemeinde eigene Radarkontrollen durchführen will. Das berichtete die «Worber Post» Ende Juni. Die Monatszeitung spricht vom «Vorteil, dass die Bussen in die Gemeindekasse fliessen». Mehrere Gemeinden führen bereits eigene Kontrollen durch – und kassieren diese Gelder ein, welche sonst in der Kantonskasse landen. Doch geht es wirklich ums Geld? Wir haben bei verschiedenen Gemeinden nachgefragt, ob und warum sie selbst kontrollieren – oder eben nicht.

Doch zuerst: Wann darf eine Gemeinde selbst kontrollieren? Und wie kam es dazu, dass Gemeinden mit der Kantonspolizei Verträge abschliessen?

Verträge zwischen Gemeinden und Polizei

Seit 2011 gibt es im Kanton Bern nur noch eine Polizei – die Kantonspolizei. Per Gesetz gingen damals die Gemeindepolizei und die Stadtpolizei Bern in die Kantonspolizei ein.

Seither kaufen sich die Gemeinden mit sogenannten Leistungseinkaufs- oder Ressourcenverträgen Leistungen bei der Polizei ein. Gemäss Polizeigesetz des Kantons Bern muss etwa ein Ressourcenvertrag abgeschlossen werden, «wenn der Umfang der eingekauften Leistungen die Arbeitsleistung von zwei Personaleinheiten im Mittel pro Jahr überschreitet.»

Wie im Polizeigesetz steht, kann eine Gemeinde bei «sicherheitsrelevanten Phänomenen» – wenn sie mit der Polizei einen solchen Vertrag abgeschlossen hat –  die Polizei «jederzeit damit beauftragen, die zur Verbesserung der Situation erforderlichen geeigneten Massnahmen zu treffen.»

Auch Geschwindigkeits- und Parkkontrollen werden in solchen Verträge geregelt, entweder durch die Polizei, oder die Gemeinde selbst. Bei eigenen Kontrollen müssen die Standorte aber von der Kantonspolizei bewilligt werden. Anschaffen und betreiben müssen die Radaranlagen auch die Gemeinden selbst.

Das sagen Gemeinden mit eigenen Radaranlagen

In Köniz werden schon seit längerem eigene Blitzer betrieben. Kontrolliert wird mit fünf fixe Radare und zwei semistationären Anlage, wie Susanne Brandi, Kommunikationsleiterin der Gemeinde, auf Anfrage erklärt. In Köniz wurden 2023 12'014 Parkbussen und 23'979 Geschwindigkeitsbussen verteilt, damit nahm die Gemeinde 2023 1,7 Millionen Franken ein.

Auch in Biel betreibt die Stadt eigene Kameras. Im grössten Ort im Seeland stehen zwei semistationäre Anlagen und 16 Kameras für «die kombinierte Überwachung von Rotlicht- und Geschwindigkeitswiderhandlungen.» Mit 21'987 Bussen hat Biel letztes Jahr einen Bussenertrag von 2'414'940 Franken verzeichnet.

In Interlaken ist nur eine Anlage in Betrieb, wie die Gemeinde auf Anfrage mitteilt. Dem Verwaltungsbericht 2023 der Einwohnergemeinde ist zu entnehmen, dass insgesamt 777'940 Fahrzeuge gemessen wurden und dabei bei rund einem Prozent (8463 Fahrzeuge) eine Übertretung festgestellt wurde. Die Geschwindigkeitsübertretungen seien damit wieder auf dem Niveau des Vorcoronajahres 2019 angekommen. Mit diesen Bussen im «rollenden Verkehr» hat Interlaken 2023 einen Ertrag von 150'000 Franken erzielt.

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Diese Gemeinden wollen keine eigenen Kontrollen

Die Gemeinde Lyss hat diese Option nicht, wie Heidi Ulrich, Bereitsleiterin öffentliche Sicherheit, schreibt. Die Aufgabe «Betrieb von stationären Geschwindigkeitskontrollen und Rotlichtüberwachungen» habe Lyss mit dem Abschluss des Ressourcenvertrags auf das Jahr 2017 nicht eingekauft. 2018 wurde die Beschaffung eigener Radaranlagen wieder diskutiert – und im Grossen Gemeinderat abgelehnt. Als Gründe wurden die nötige Personalaufstockung, dass Radaranlagen der falsche Weg seien, um Unfallprävention zu betreiben und dass der Einsatz der Kantonspolizei genüge. Doch es könnte sich noch ändern: Zurzeit sei ein politischer Vorstoss hängig, der mehr Sicherheit im Strassenverkehr fordere. «Unter anderem auch mit Radaranlagen», so Heidi Ulrich. Die Beantwortung ist noch offen.

In Spiez werden ebenfalls keine Kontrollen durchgeführt. Die Gemeinde hat gemäss der Übersicht der Ressourcenverträge der Polizei einen Vertrag «inklusive Ordnungsbusse» abgeschlossen, dieser diene aber hauptsächlich für Bussen auf Parkplätzen, wie Renato Heiniger, Abteilungsleiter Sicherheit informiert. Wie bei solchen Verträgen üblich, könne die Gemeinde bei einem Drittel der Geschwindigkeitskontrollen, die die Polizei in der Gemeinde durchführt, über den Standort mitentscheiden. Gegen eigene Radarstationen sprechen gemäss Heiniger mehrere Gründe. Dazu gehören etwa die benötigten Ressourcen, die Beschaffung der Anlagen und die Verfahren der Bussen. «Wir sind zufrieden, wie die Kantonspolizei es macht», so Reto Heiniger.

In Thun wurden früher eigene Kontrollen durchgeführt, mittlerweile verzichtet die Gemeinde aber darauf. Die Bewirtschaftung der Anlagen sei zeitintensiv gewesen und die Anlagen hätten in absehbarer Zeit für hohe Kosten erneuert werden müssen, wie Reto Keller, Abteilungsleiter Sicherheit der Stadt Thun, erklärt. In naher Zukunft bestünden auch keine Absichten, daran etwas zu ändern. «Die Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei Bern funktioniert bis jetzt sehr gut», so Keller.

Eigene Kontrollen, um Budget aufzubessern?

Es gibt aber auch Kritik, wenn Gemeinden ihre eigenen Anlagen betreiben. Der «Berner Zeitung» etwa ist aufgefallen, dass sich die Erträge der Radaranlage in Köniz von 2015 bis 2019 verdoppelt hätten. Im Parlament gab es Kritik, dass die Gemeinde so mehr Einnahmen generieren wollten – besonders mit Blick auf den steigenden Schuldenberg von Köniz. 2018 nahm die Gemeinde 1,85 Millionen Franken ein, 2023 waren es 1,7 Millionen Franken. Mit Blick auf das Gesamtbudget von Köniz ist das aber auch heute ein Tropfen auf den heissen Stein: Das entspreche gemäss Kommunikationsleiterin Susanne Brandi einem Anteil von circa 0,65 Prozent des Gesamtertrags im Steuerhaushalt.

Auch die Stadt Biel weist darauf hin, dass die Busseinnahmen keinen grossen Anteil am Budget ausmachen. «Die eingesetzten Messmittel, notwendige Infrastruktur, Administration, Postversand und so weiter verursachen Kosten, und somit bleibt von den Bruttoeinnahmen ‹Radarbussen› nur ein Bruchteil übrig bleibt», wie Babette Neukirchen, stellvertretende Generalsekretärin, mitteilt. Der Zweck von Ordnungsbussen liege nicht in der Verbesserung der Ertragslage der Stadt. «Bussen dienen primär dazu, geltendem Recht zur Durchsetzung zu verhelfen und damit die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden zu erhöhen.» Auch hier machen Ordnungsbussen weniger als ein Prozent des Budgets aus, der Ertrag der Stadt Biel belief sich 2023 auf 388 Millionen Franken – mit Bussen wurden rund 2,4 Millionen Franken eingenommen.

veröffentlicht: 14. Juli 2024 07:45
aktualisiert: 14. Juli 2024 10:43
Quelle: BärnToday

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