Zenger: «Hoffe, er nimmt Klimakrise ernst»

In Uetendorf übernimmt für Albert Rösti jetzt eine Grüne

08.12.2022, 13:39 Uhr
· Online seit 08.12.2022, 12:27 Uhr
Der frisch gewählte Bundesrat Albert Rösti bringt bereits Exekutiverfahrung mit. Seit 2008 ist er Mitglied des Gemeinderates von Uetendorf, seit 2014 Gemeindepräsident. Bis zu den Neuwahlen im März übernimmt Vizegemeindepräsidentin Anna-Katharina Zenger von den Grünen. Im Interview freut sie sich über Röstis Wahl, äussert bezüglich der Klimapolitik aber auch Bedenken.
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BärnToday: Am Mittwoch wurde der Uetendorfer Albert Rösti in den Bundesrat gewählt. Freuen Sie sich als Vizepräsidentin von Uetendorf darüber?

Anna-Katharina Zenger: Natürlich freue ich mich darüber. Ich gönne ihm das von ganzem Herzen und bin überzeugt, dass er das gut machen wird.

Was bedeutet die Wahl für Uetendorf? Macht das einen stolz?

Das macht einen schon stolz, aber mehr für ihn selbst. Wir haben schliesslich als Dorf nichts zu seiner Wahl beigetragen. Er hat seinen Weg in den Bundesrat über das Gemeindepräsidium, über den Nationalrat und andere Funktionen selbst bestritten. Er könnte auch an einem anderen Ort zu Hause sein, aber es ist natürlich schön, wohnt er in Uetendorf.

Quelle: CH Media Video Unit / Melissa Schumacher

Das sind nette Worte! Aus Ihrer Partei gibt es allerdings viele andere Stimmen. Die Grünen haben Herr Rösti auch nicht zur Wahl empfohlen …

Das kann ich natürlich nachvollziehen. Meine Partei hat keine Freude an einem Bundesrat, der in der Klimapolitik nicht so vorwärts macht, wie das aus unserer Sicht nötig wäre.

Gleichzeitig steht in meiner Funktion die politische Haltung nicht im Vordergrund. Es geht um einen SVP-Sitz, er kommt aus Uetendorf – von dem her hat er meine Unterstützung aus struktureller Sicht. Inhaltlich sind wir hingegen bei vielen Themen nicht derselben Meinung, insbesondere bei Themen der nationalen Politik. Im Dorf haben wir aber tiptop zusammengearbeitet.

Prominente Grüne und Linke befürchten, dass ein Bundesrat Rösti den Klimawandel nicht ernst genug nehmen wird. Teilen Sie diese Sorgen?

Ich teile diese Sorge. Ich hoffe sehr, dass Albert Rösti die Klimakrise sehr ernst nimmt und sich seiner Verantwortung als Regierungsmitglied bewusst wird.

Besonders Bauchschmerzen bereitet vielen Grünen das Szenario, dass Albert Rösti das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) übernehmen könnte.

Albert Rösti muss jedes Departement übernehmen können. Im Uvek hätte er eine besondere Verantwortung. Es ist alles auch immer eine Chance, weil er die Klimapolitik des Bundesrates vertreten muss und für sie vielleicht auch ein gutes Wort in seiner Partei einlegen könnte.

Was sind Ihre Erwartungen an Herrn Rösti im Bundesrat?

Ich erwarte, dass er im Sinne der Gesamtbevölkerung handelt und an all jene denkt, die nicht im Bundesrat vertreten sind. Einerseits sind die Städte nicht in der Landesregierung vertreten, andererseits zum Beispiel auch die alleinerziehenden Mütter. Als Bundesrat muss man einen breiten Horizont haben – ich wünsche mir, dass er diesen mitnimmt und ausbaut.

Sie haben die Zusammenarbeit mit Herr Rösti gelobt. Glauben Sie, die Zusammenarbeit wird sich durch seine Wahl auch im Bundesrat verbessern? In den vergangenen Jahren herrschte in der Landesregierung bekanntlich nicht die beste Stimmung …

Meine Erfahrung ist, dass Albert Rösti in der Exekutive vermittelnd und verbindend ist. In Uetendorf machte er aus dem Gremium ein Team. Ich wünsche ihm und dem Bundesrat, dass dies auch auf nationaler Ebene gelingt.

Wird er auch Uetendorfer Interessen einbringen können?

Uetendorfer Interessen sollten im Bundesrat grundsätzlich keine Rolle spielen. Es wäre falsch, wenn Uetendorf jetzt dadurch einen Vorteil erhalten würde. Das Feld muss viel breiter sein und im Bundesrat müssen sowohl die Interessen der Agglomerationen, der Städte und der ländlichen Gebiete berücksichtigt werden.

Als Bundesrat endet Albert Röstis Zeit als Uetendorfer Gemeindepräsident. Wie wird nun seine Nachfolge geregelt?

Das Wahlreglement gibt vor, was bei einem vorzeitigen Abtreten eines Gemeindepräsidenten geschieht. Ich werde als Vizepräsidentin ad interim übernehmen, bis eine neue Gemeindepräsidentin oder ein neuer Gemeindepräsident gewählt ist. Neuwahlen sollen im März stattfinden.

Quelle: CH Media Video Unit / Katja Jeggli

Stehen Sie für eine Nachfolge zur Verfügung?

Nein, nach zwölf Jahren im Gemeinderat mit dem anspruchsvollen Bauressort ist es an der Zeit, mich aus der Gemeindepolitik zu verabschieden.

Wird also jemand aus der SVP in Röstis Fusstapfen treten oder werden Sie bis zur Wahl eine grüne Kandidatur aufbauen?

Dass wir definitiv ein neues Gemeindepräsidium suchen müssen, steht erst seit Mittwoch fest. Dementsprechend gibt es noch keine konkreten Kandidatinnen und Kandidaten. Wenn man die Wähleranteile Uetendorfs betrachtet, ist die SVP klar im Vorteil. Ich schliesse zwar grundsätzlich nichts aus, aber momentan gibt es keine Bestrebungen für eine grüne Kandidatur.

veröffentlicht: 8. Dezember 2022 12:27
aktualisiert: 8. Dezember 2022 13:39
Quelle: BärnToday

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