ChatGPT

«Schulen können künstliche Intelligenz nicht ignorieren»

20. Februar 2023, 22:01 Uhr
Künstliche Intelligenz wird auch an Schulen immer mehr zum Thema. Die Sprach-KI ChatGPT ist für Lehrerinnen und Lehrer Fluch und Segen zugleich. Stefan Wittwer vom Lehrerverband Bildung Bern erklärt, wie Berner Schulen damit umgehen.
Stefan Wittwer ist Geschäftsführer von Bildung Bern.
© TeleBärn
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Wie sollen Schulen mit ChatGPT umgehen?

Angst ist sicher ein schlechter Ratgeber. Man soll versuchen, die Chancen des ChatGPT zu nutzen und gleichzeitig die Risiken zu minimieren. Also nicht ignorieren, sondern zum Thema machen.

Wie gehen Sie dabei vor?

Eine Möglichkeit ist, dass man Aufgaben stellt, für die man den ChatGPT nutzen kann. Man kann zum Beispiel einen Text vom ChatGPT schreiben lassen und die Schüler können den Text dann nach Fehlern überprüfen und ergänzen.

Wie reagieren die Schülerinnen und Schüler darauf, dass sie das ausprobieren dürfen?

Die Schülerinnen und Schüler reagieren sehr gut darauf. Das Thema ist bei den Jugendlichen breit angekommen. Wenn man einen angstfreien Umgang propagiert und übt, kommt das sicher grossmehrheitlich gut an.

Hat man nicht Angst, dass es ausgenützt werden könnte?

Der Reflex liegt auf der Hand, dass man es nicht zum Thema macht, um zu verhindern, dass es nicht breit eingesetzt wird. Das funktioniert aber einfach nicht. Ob wir wollen oder nicht – das verbreitet sich. Es wird auch keine Eintagsfliege sein, denn die Entwicklung geht vorwärts und wir müssen uns dieser stellen, mit allen Möglichkeiten, die es bietet. Ein etwas gewagtes Beispiel: Es hat in der Geschichte immer wieder neue Hilfsmittel gegeben. Ich denke da an Rechtschreib-Programme oder auch an die internetfähigen Smartphones; die heutige junge Generation ist die erste, die das Internet von Anfang an in der Hosentasche hatte – auch dort musste man lernen, damit umzugehen, dass alle ein Smartphone haben.

Wie können Lehrpersonen merken, dass künstliche Intelligenz die Hausaufgaben erledigt hat?

Ich würde für mich als Oberstufenlehrperson nie in Anspruch nehmen, dass ich das immer merken würde. Das Krasse ist, dass ChatGPT nicht nur technisch etwas zusammenbauen kann, sondern dass dieses System selber lernt und so auch kreative Sachen wie Gedichte oder Aufsätze kreieren kann. Auch Essays und Zusammenfassungen von Büchern sind möglich. Es gibt aber schon Bereiche, die ChatGPT nicht kann. Wenn man den Schülerinnen und Schülern die Aufgabe gibt, über eigene Erfahrungen oder persönliche Gefühle zu berichten, stösst das System an seine Grenzen. Wenn eine Schülerin oder ein Schüler plötzlich einen Text schreibt, der überhaupt nicht dem Niveau entspricht, das die Person sonst abliefert, steckt entweder ein Elternteil dahinter oder der ChatGPT hat geholfen.

Inwiefern könnte ChatGPT die Art des Unterrichts verändern?

Ich habe das Gefühl, dass es ein weiteres Tool ist, das man einsetzen kann. Das tönt jetzt aber sicher grundsätzlich zu schönfärberisch. Anhand dieses Beispiels sieht man nun, was auf die Schule zukommt. Das ist ein weiterer Meilenstein in der Digitalisierung, der sich die Schule stellen muss. Der Beruf Lehrperson wird noch einmal komplexer und anspruchsvoller. Ich denke aber nicht, dass es den Unterricht komplett auf den Kopf stellen wird. Man muss jetzt nicht plötzlich alles anders machen.

Wie kann man den Wahrheitsgehalt des ChatGPT prüfen?

Ich denke, dass das für alle Stufen eine riesige Herausforderung wird. Viele Expertinnen und Experten sagen, dass die Menge und die Qualität der Fake News mit diesen neuen Techniken deutlich zunehmen werden. Die Medienkompetenz an Schulen wird weiter an Bedeutung zunehmen. Es ist wichtig, den Schülerinnen und Schülern zu zeigen, welche Quellen vertrauenswürdig sind.

(raw)

Quelle: BärnToday
veröffentlicht: 21. Februar 2023 05:36
aktualisiert: 21. Februar 2023 05:36
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