Die aktuelle Hitze wirkt erdrückend. Wer allerdings in einem Büro arbeitet, dürfte unter den Temperaturen noch wesentlich weniger leiden als Leute, die sich bewegen müssen. Richtig zu spüren ist die Hitzewelle für Menschen auf dem Bau. Bereits letzten Freitag forderte die Gewerkschaft Unia, während den heissen Tagen die Arbeitsweisen auf Baustellen anzupassen – oder, wo nicht möglich, einzustellen.
Fünf Tage später sind die Temperaturen ununterbrochen hoch. Kommen die Bauherren dem Appell der Unia nach? Die Situation sei bei dieser extremen Hitze nach wie vor akut, sagt Chris Kelley, Co-Leiter der Sektion Bau der Unia. «Wir sind tagtäglich auf Baustellen unterwegs und nehmen ein sehr unterschiedliches Bild wahr.» Es gebe Baustellen, bei denen die Baufirmen die Arbeitszeiten angepasst hätten oder der Bau sogar eingestellt worden wäre. Aber: «Es gibt auch Baustellen, bei denen die Bauherren einen massiven Druck auf die Firmen ausüben, dass sie ja nicht langsamer arbeiten, damit Bautermine – die teilweise einfach unrealistisch sind – ja nicht gefährdet werden.»
Sogar Baufirmen intervenieren bei der Unia
Der Bau sei grundsätzlich ein Knochenjob – selbst bei normalen Temperaturen, sagt Kelley. «So wie es jetzt ist, wird es gefährlich. Erschöpfung, Dehydrierung oder Hitzeschläge sind mögliche Folgen.» Und auch die Anzahl an Unfällen steige nachweislich an.
«Wir erhalten sogar Anrufe von Firmen, die uns bitten, bei den Bauherren zu intervenieren. Das ist eine neue Dimension. Das ist auch der Grund, weshalb Bauarbeiter allgemein mehr Klarheit fordern, ab wann Bauarbeiten eingestellt werden müssen», betont Kelley.
Termindruck und Hektik auf den Baustellen ist auch dem Schweizerischen Baumeisterverband bekannt. Dies habe häufig mit kurzfristiger Arbeitsplanung seitens Auftraggeber zu tun, sagt Matthias Engel, Mediensprecher des Schweizerischen Baumeisterverbandes. «Wir erhoffen uns von den Bauherren Verständnis dafür, dass das Wetter das Bautempo beeinflusst. Wir stellen aber fest, dass im Sommer das Verständnis noch eher da ist als in einer Regenwoche im Herbst oder Winter.»
Grundsätzlich könne man aber sagen, dass die Bauequipen die Arbeit im Sommer gut im Griff hätten, sagt Engel. «Alle sehen zu, dass man spätestens ab 16 Uhr nachmittags Feierabend machen kann.»
Unia: «Sehen teilweise eklatante Verstösse»
Die Unia sieht das anders. «Wir erhalten täglich Rückmeldungen von Bauarbeitern, die uns von klaren Verstössen gegen die Gesundheitsregeln berichten. Wir sind tagtäglich auf Baustellen in der ganzen Schweiz unterwegs und sehen teilweise eklatante Verstösse», sagt Chris Kelley. In solchen Fällen würde die Unia direkt auf der Baustelle intervenieren. «Das zeigt die Notwendigkeit, dass es bei solch extremen Temperaturen eine klare Regelung braucht, ab wann die Arbeit nicht mehr zumutbar ist.»
Denn: Diese gibt es aktuell nur in einzelnen Kantonen. Bei der Hitzewarnstufe 4 (Höchstwerte von 35 bis 39 Grad) verbietet beispielsweise der Kanton Tessin Bauarbeit nach 15 Uhr. Im Kanton Genf ist ab 14 Uhr Nachmittags Feierabend. Besonders schwere Arbeiten – beispielsweise auf Dächern – sind bereits nach dem Mittag verboten. Solche Vereinbarungen hätten manche lokalen Baumeisterverbände in Zusammenarbeit mit der Unia getroffen, erklärt Kelley. Aber: «Solche Regelungen braucht es nicht nur in einzelnen Kantonen, sondern überall.»
Die Gemeinde bestimmt, ab wann morgens gebaut werden kann
Der Kanton Bern kennt keine übergreifende Vereinbarung. «Wir in der Deutschschweiz und vor allem auch im Bernbiet regeln das untereinander», sagt Matthias Engel vom Schweizerischen Baumeisterverband. «Wir haben es selbst gut im Griff, dass die Baustellen am frühen Nachmittag geschlossen werden können.»
Grundsätzlich hätten alle Beteiligten auf dem Bau dasselbe Ziel: «Früh mit der Arbeit beginnen, wenn es 18 bis 20 Grad warm ist, einen kurzen Mittag und dann früh Feierabend machen.» Der Sonnenhöchststand sei in den letzten Tagen erst um halb 2 Uhr nachmittags gewesen, sagt Engel. «Und um 13.30 Uhr ist es – zumindest im Kanton Bern – fast nie 30 Grad. 30 Grad wird es erst ab 16 Uhr.» Wie früh allerdings mit dem Bauen begonnen werden kann, ist nicht überall gleich.
Laut Lärmschutzverordnung des Bundesgesetzes darf grundsätzlich ab 6 Uhr morgens gebaut werden. Allerdings haben die Gemeinden das letzte Wort, wenn es um den Baustart geht. «In der Stadt Thun kann beispielsweise ab 6 Uhr morgens gebaut werden. Das macht den Tag viel einfacher planbar als beispielsweise in der Stadt Bern, wo absolutes Bauverbot herrscht bis 7 Uhr. So geht bereits eine Stunde verloren», erklärt Engel.
An die Gemeinde Bern appelliert er deshalb, das Bauen auch bereits ab 6 Uhr zu erlauben. «Es würde sich wirklich auszahlen – dann muss auch niemand bei über 30 Grad nach 16 Uhr arbeiten.»
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