Die Vorwürfe mehrerer Eltern sind happig: An der Oberstufe in Steffisburg sei der Nationalsozialismus von Jugendlichen mehrfach verharmlost worden und die Schule und Behörden hätten dies nicht genug ernst genommen. Es geht um Bilder und Memes, die im letzten Schuljahr in Chats geteilt wurden, aber auch um Aussagen, die Schüler im Klassenzimmer äusserten. Entsprechende Chatverläufe und Bilder von Hakenkreuz-Schmierereien an Schulgebäuden in Steffisburg liegen der Redaktion vor.
BärnToday hat mit Eltern aus Steffisburg gesprochen, welche die Schulen und Behörden mehrfach auf die Problematik hingewiesen haben und finden, dass seither nicht genug unternommen wurde. «Man betont stets, dass viel gemacht wird. Zumindest mein Kind hat davon praktisch nichts mitbekommen», sagt ein Elternteil. Die Äusserungen seien über einfache Provokationen hinausgegangen. Die Probleme würden mehrere Klassen betreffen.
Alle Personen wollen anonym bleiben – auch um zu verhindern, dass ihre Kinder die Konsequenzen tragen müssen. Jugendliche, die sich in Steffisburg aktiv gegen Hitler-Karikaturen und rassistische Memes in Chats oder Hakenkreuze an den Wänden der Schule gewehrt hatten, seien teilweise gemobbt worden, erzählt eine Mutter. Im Klassenchat stand: «Eifach ehrelos, wär grätschet het.»
Schule nehme Vorfälle ernst
Doris Furer, Gesamtschulleiterin in Steffisburg, bestätigt, dass es im letzten Winter besonders in einer Klasse zu solchen Vorfällen gekommen ist: «Es wurden zwei Hakenkreuze an einen Velo-Unterstand gesprayt. Ausserdem kam es in Klassen-Chats, die von den Schülern selbst und ohne Lehrpersonen, eröffnet wurden, zur Verbreitung der genannten Symbole.»
Der Kritik, dass die Schule zu wenig gemacht habe, widerspricht die Schulleiterin: «Wir haben die Situation ernst genommen und Massnahmen ergriffen, sagt Furer: «In der betroffenen Klasse haben wir unter anderem einen Experten des Informations- und Beratungsangebots «gggfon» beigezogen, der die Lehrpersonen und die Schulleitungen unterstützt und auch Gespräche geführt hat. Ausserdem war bereits zuvor in derselben Klasse die Schulsozialarbeit wegen anderer Themen aktiv. Sie hat zusätzlich sensibilisiert», so Furer.
Im April habe man mit einem Brief alle Eltern informiert und betont, dass die Schule und der Gemeinderat Gewalt und Diskriminierung scharf verurteile. Furer findet, dass die Schule in Steffisburg genügend gegen Rassismus und Diskriminierung unternehme. Man arbeite seit drei Jahren etwa mit der SIG, dem Schweizerischen Institut für Gewaltprävention, zusammen und lege den Fokus insbesondere auf den präventiven und aufklärenden Bereich. Die Sensibilisierung sieht sie als eine entscheidende Massnahme in der Bearbeitung dieser wichtigen und heiklen Thematik.
Sie hält auch fest, dass die Situation herausfordernd war. «Mit rund 1500 Schülerinnen und Schülern ist es nicht immer einfach, bei schwierigen Situationen schnell und richtig zu handeln.» Sie verstehe deshalb Eltern, die sich Sorgen machen und Kritik äussern. Furer hofft aber mit den getroffenen Massnahmen das Vertrauen wieder zurückzugewinnen.
Behörden sehen Schule Steffisburg auf Kurs
Trotz der Vorfälle im vergangenen Schuljahr betonte der Gemeinderat von Steffisburg zuletzt in seinem Parlament, dass die Gemeinde Steffisburg genug unternehme, um Rassismus und Diskriminierung an Schulen zu thematisieren oder auf entsprechende Vorfälle zu reagieren.
Die SP/Grüne-Fraktion und die FDP-Fraktion hatten das Problem auf das politische Parkett in Steffisburg gebracht. Via Postulat forderten sie vom Gemeinderat, dass Massnahmen zur Bekämpfung von rassistischen und diskriminierenden Vorfällen an der Schule und in diesem Zusammenhang eine generelle Zusammenarbeit mit der Organisation «gggfon» geprüft werden sollen. Also mit derselben Informations-, Beratungs- und Meldestelle für rassistisch diskriminierende Vorfälle, die die Oberstufenschule in Steffisburg vergangenen Frühling, auch auf Drängen von Eltern, bereits beraten hat.
Die jährlichen Kosten für die Dienste des «gggfon» wären im mittleren vierstelligen Bereich gelegen. Auch Schulleiterin Furer sagt: «Die Dienste der ‹gggfon› sind sicher sinnvoll, könnten aber auch ohne Mitgliedschaft punktuell eingesetzt werden.»
Gemeinderat sieht vor allem Provokationen
Der zuständige Gemeinderat Hans Berger (GLP) sagt auf Anfrage, dass die Schule Steffisburg solche Vorfälle ernst nehme und präventiv viel unternehme, um gegen Gewalt und Diskriminierungen vorzugehen. «Es wird oft auf die Schule gezeigt, aber Rassismus entsteht nicht dort, sondern wird von aussen in die Schulhäuser getragen», sagt Berger. Ausserdem hätten die wenigsten Jugendlichen, die Hakenkreuze sprayen, eine rechtsradikale Gesinnung, sondern wollten vor allem provozieren. Steffisburg habe definitiv kein Rassismus-Problem an seinen Schulen.
Der Gemeinde Steffisburg stehe durch die Zusammenarbeit mit der Schulsozialarbeit, mit dem SIG, mit der OKJA (Offene Kinder- und Jugendarbeit), mit der BernerGesundheit BEGES und dem gezielten Einsatz von Workshops zum Medienunterricht ausserdem genügend externe Unterstützung zur Verfügung.
«Mutige Eltern und Kinder wehren sich»
Alexandra Aebischer ist ebenfalls Mutter von Kindern, die in Steffisburg zur Schule gehen. Gleichzeitig sitzt sie für die SP im Grossen Gemeinderat, also im Parlament von Steffisburg. Sie hat die Vorfälle an der Schule ebenfalls mitbekommen. «Sie waren mit ein Grund für den entsprechenden Vorstoss im Parlament», erklärt Aebischer. Für sie wäre eine Zusammenarbeit mit dem «gggfon» äusserst sinnvoll gewesen und eine Unterstützung, die viele Lehrpersonen in Steffisburg gerne in Anspruch genommen hätten.
Laut Aebischer sei es begrüssenswert, dass mutige Kinder und Eltern hinschauen und sich wehren. Steffisburg sei nicht als einzige Gemeinde oder am stärksten von solchen Vorfällen betroffen. «Es ist aber wichtig, dass man die Probleme an der Schule benennt und nicht verharmlost», sagt Aebischer weiter. Immerhin zeige der umfassende Bericht des Gemeinderats, dass er sich mit dem Thema beschäftigt hat. «Genug gegen Rassismus», wie es der Gemeinderat schreibt, wird in Steffisburg aber laut Aebischer nicht unternommen.
Kein Steffisburg-spezifisches Problem
Klar ist, dass dieses Problem nicht nur in Steffisburg auftaucht. Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus EKR hat im letzten Jahresbericht Probleme an Bildungsinstitutionen bereits im Vorwort als konkretes Problem benannt: «Meldungen von rassistischer Diskriminierung in Schulen stehen in diesem Jahr an erster Stelle. Das ist bedenklich. Denn gerade die Schule sollte derjenige Ort sein, an dem Kinder und Jugendliche vor jeglicher Diskriminierung geschützt sind», steht im Bericht.