Karten, Kugelschreiber und farbiger Karton: In einer Papeterie findet sich alles, was ein Bastlerherz begehrt. Aber auch online können die Leute mittlerweile von farbigen Klebstreifen über glänzende Sticker bis hin zu singenden Geburtstagskarten alles erwerben. Eine, die diese Entwicklung nur zu gut bemerkt, ist Peggy Steinmann, Noch-Inhaberin der Papeterie «Paprica» in Boll. Ende Juni muss die 54-Jährige ihr Geschäft schliessen – nach acht Jahren als Verkäuferin in der Branche.
«Corona hat ein Loch hinterlassen»
2016 hat Peggy Steinmann in Worb den Printshop übernommen und ihn unter neuem Namen «Paprica» wiedereröffnet. Kundinnen und Kunden empfing sie an der Bahnhofsstrasse zum Teil unter erschwerten Bedingungen. Wegen der Grossbaustelle 2018 blieb die Laufkundschaft für längere Zeit aus. 2021 ist die gelernte Innendekorateurin nach Boll umgezogen. Doch seit der Pandemie hat sich alles verändert. «Corona hat in mein Budget ein grosses Loch gerissen, das mir niemand bezahlt», so Steinmann. Zwar konnte sie in dieser Zeit einen Kredit beantragen und bekam Geld, um ihre Rechnungen zu bezahlen, die während der Zeit anfielen, in der sie nichts verdiente. «Diesen Kredit muss ich aber unterdessen mit Zins tilgen». Seit Corona habe sich ausserdem das Kaufverhalten der Menschen stark verändert.
«Viele Menschen bestellen online und kommen nicht mehr in den Laden. Der Umsatz fehlt», so Steinmann. «Ich denke, dass diese Veränderung nicht aufzuhalten ist». Auch brauche es immer weniger Büromaterialien wie Ordner, Mäppli oder Notizblöcke. Und die Dinge, die noch gebraucht würden, erhielten die Menschen bei fast allen grossen Anbietern. Laut Steinmann seien in den letzten Monaten und Jahren viele Ladenlokale verschwunden.
«Es steckt sehr viel Herzblut in meinem Laden und es war für mich ein langer Prozess des Loslassens.» Steinmann könne aber ihren Lebensunterhalt mit diesem Geschäft nicht mehr finanzieren und deshalb sei dieser Schritt unausweichlich geworden.
Worb mit neuer Pop-up-Papeterie
Währenddem Peggy Steinmann in Boll ihr Geschäft schliessen muss, eröffnet in Worb in den Geschäftsräumen des alteingesessenen Haushaltsgeschäfts Rüfenacht und Co. bald eine neue Papeterie. Die Firma «Brodmann, die Papeterie in Burgdorf» expandiert Anfang Mai nach Worb. Diese Entwicklung stimmt Steinmann nachdenklich: «Im ersten Moment habe ich mich sicherlich selbst hinterfragt. Was habe ich falsch gemacht? Wieso läuft es bei mir nicht und wieso muss ich schliessen? Aber ich weiss mittlerweile, dass es nichts mit mir persönlich zu tun hat, sondern mit der ganzen Veränderung, die überall stattfindet.» Gleichzeitig freue sich Steinmann für die neue Inhaberin der Pop-up-Papeterie in Worb. «Solche Pop-ups sind eine tolle Sache, die man mit wenig Risiko umsetzen kann, da man Verträge hat, die man kurzfristig auflösen kann.» Ausserdem gehe sie davon aus, dass «der Mietzins moderat ist», da die Eigentümer an einer Zwischennutzung interessiert sind. «Vielleicht kann man mit einer Pop-up-Papeterie auch mutiger sein und Verschiedenes ausprobieren, ohne sich auf Jahre zu verpflichten.»
Traurige Kundinnen und Kunden
In Boll sucht Peggy Steinmann aktuell einen Nachmieter für ihr Ladenlokal, da sie einen 5-Jahres-Vertrag unterschrieben hat. In einem nächsten Schritt wolle die 54-Jährige wieder eine Anstellung finden. Bis dahin steht sie aber noch für ihre Kunden hinter der Ladentheke der «Paprica». «Meine Kundinnen und Kunden sind traurig. Sie bedauern es und finden es sehr schade, dass es diesen schönen Laden bald nicht mehr geben wird. Sie sagen, dass sie mich vermissen werden». Viele könnten aber die Problematik des KMU-Detailhandels verstehen und auch den Entscheid von Steinmann nachvollziehen. Ein Kopierservice, so wie ihn Steinmann ihn Boll anbietet, sei nach wie vor für viele Menschen aus der Umgebung wichtig. Glücklicherweise sei ein solcher auch in der Pop-up-Papeterie in Worb geplant. Denn: «Für viele ist der Weg in die Stadt zu anstrengend oder zu weit».