Wohlen

Darum wollen die Grünen ein Parlament, der Gemeinderat aber nicht

· Online seit 16.02.2023, 07:00 Uhr
Soll weiterhin die Gemeindeversammlung über die Zukunft der Berner Agglomerationsgemeinde entscheiden? Oder soll ein neues Gemeindeparlament entstehen? Am 12. März haben die Wohlenerinnen und Wohlener die Wahl.
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Ist die Gemeindeversammlung in Wohlen, die in der Regel zweimal jährlich stattfindet, noch zeitgemäss? «Nein», sagen die ortsansässigen Grünen und haben mit einer Initiative den Vorschlag eines Parlaments als Ersatz aufs politische Parkett gebracht. «Die Entscheide sind in einem Parlament fundierter», sagt der Wohlener Grünen-Präsident Thomas Gerber. Dadurch, dass sich in einem Parlament dieselben Personen über Jahre mit den gleichen Themen beschäftigen, gebe es eine grosse Beständigkeit. Diese führe letztlich zu besseren Ergebnissen, ist er überzeugt.

Zudem erhalte ein Parlament die Möglichkeit, direkten Einfluss auf den Gemeinderat zu nehmen. Das sei beim heutigen System nämlich so nicht möglich. «Auch die Erfahrung aus der Corona-Pandemie, als Gemeindeversammlungen ausfielen, zeigte, dass die politische Meinungsbildung nicht mehr im gleichen Mass möglich war.»

Gemeinderat lehnt Begehren ab

Ist die Gemeindeversammlung noch zeitgemäss? «Ja», argumentiert der Gemeinderat. «Das heutige System funktioniert gut und ist für die Gemeinde Wohlen das richtige», sagt Gemeindepräsident Bänz Müller. Eine Beständigkeit sei mit einem Parlament keineswegs gegeben, sagt der SP-Politiker. Erfahrungen aus anderen Gemeinden mit einem Parlament zeigten, dass innert einer Legislatur 30 bis 50 Prozent der Parlamentarierinnen und Parlamentarier ihr Amt frühzeitig niederlegen.

Dazu komme, dass nicht nur an der Gemeindeversammlung die Zukunft Wohlens geprägt werde. Müller verweist darauf, dass mit 350 Unterschriften ein Geschäft der Regierung vor der Urne angefochten werden kann. Zudem gibt es Kommissionen, die den Gemeinderat beraten.

Den Grünen ist das zu wenig. Sie kritisieren, dass nur wenige Personen an den Versammlungen der 9000-Seelen-Gemeinde teilnehmen. Bei einer ausserordentlichen Gemeindeversammlung im vergangenen Jahr waren es nicht einmal 50 Stimmberechtigte.

«Solche Argumente kann man schon bringen – sie sind einfach nicht fair», ärgert sich Gemeindepräsident Müller. Er verweist darauf, dass es bei den meisten Gemeindeversammlungen deutlich mehr sind: nämlich rund ein bis zwei Prozent. «In einem Parlament können sich nur 30 Personen regelmässig einbringen.»

Die Gemeindeversammlung sei daher die «direkteste Demokratie». «Jeder und jede Stimmberechtigte kann daran teilnehmen. Wer darauf verzichtet, hat offenbar keine Wünsche», sagt er. Darauf zurückzuführen, dass der Volkswille nicht repräsentiert wäre, bezeichnet der Gemeindepräsident als «anmassend».

Grünen kritisieren Machtfülle beim Gemeinderat 

Grünen-Präsident Gerber kritisiert zudem, dass im heutigen System der Gemeinderat zu viel Macht erhält. Das Gemeindepräsidium ist eine Vollzeitstelle und alle sieben Rätinnen und Räte sind an den Versammlungen jeweils anwesend. «Eine politische Auseinandersetzung wie in einem Parlament gibt es somit keine. Oft folgt man dem Gemeinderat», sagt er. Es brauche viel, um sich ausserhalb der Versammlung politisch einbringen zu können.

Gemeindepräsident Müller bestätigt, dass er und seine Kolleginnen und Kollegen eine grosse Macht innehaben. Allerdings sei dies nicht negativ zu beurteilen. Im Gegenteil: «Solange der Gemeinderat seine Arbeit macht, ist das eine Stärke.» Ansonsten habe das Volk die Möglichkeit der Abwahl.

Ob in Wohlen bei Bern künftig Parlamentarierinnen und Parlamentarier tagen, wird nicht an der Gemeindeversammlung entschieden. Das letzte Wort haben am 12. März die Stimmberechtigten an der Urne.

«Ich gehe davon aus, dass die Initiative angenommen wird», gibt sich der Grüne Gerber siegessicher. Nicht aus dem Fenster lehnen will sich der Gemeindepräsident: «Da gebe ich keinen Tipp ab», sagt Müller.

veröffentlicht: 16. Februar 2023 07:00
aktualisiert: 16. Februar 2023 07:00
Quelle: BärnToday

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