Quelle: BärnToday / Rahel Stähli / Warner Nattiel
Bald schon neigt sich die Treberwurst-Saison, welche vor allem im Januar und im Februar zelebriert wird, wieder dem Ende zu. Und die Winzer können sich von einer der stressigsten Zeiten im Jahr erholen.
Noch aber sind beispielsweise Martin «Tinu» Mürset und seine Frau Elena vollbeschäftigt: «An fünf bis sechs Abenden pro Woche bewirten wir Gäste. Oft sind wir ausgebucht und manchmal servieren wir zusätzlich auch am Samstagmittag Treberwürste», sagt der Winzer, welcher in der sechsten Generation einen Familienbetrieb führt. Seit 37 Jahren tischt er die Spezialität in seinem Kellergewölbe auf, das auch Carnozet genannt wird.
«Wurst nimmt Schnapsaroma auf»
Die Spezialität besteht zu 100 Prozent aus Schweinswurst, verfeinert wird sie mit diversen Gewürzen. Tinu Mürset produziert die Treberwurst nicht selbst, er kauft sie bei einem grossen Metzgerbetrieb in der Region ein. Die Zubereitung erfolgt dann aber tatsächlich im mittlerweile hauseigenen Brenner. «Dort wird die Wurst im Dampf von ausgepressten Trauben, dem sogenannten Treber, erwärmt. Durch die Hitze destillieren wir Marc-Dämpfe heraus, dieses Schnapsaroma nimmt die Wurst dann auf.» Anschliessend werde der verwendete Treber, welcher das Abfallprodukt der ausgepressten Trauben ist, wieder zurück in die Rebberge gebracht – zum Düngen.
In den letzten Jahren habe Tinu Mürset seinen Betrieb optimiert, dazu gehörte auch eine neue Rezeptur der Treberwurst. «Wir haben nun eine ohne Haut, welche weniger fettig ist, so dass sich auch immer mehr Frauen für das Treberwurstessen begeistern können». Früher sei das noch eine Männerdomäne gewesen.
Kulturgut des Bielersees?
Auf die Frage, wieso das Treberwurstessen bei den Leuten eine solche Beliebtheit geniesst, sagt der 56-Jährige: «Ich denke, die Leute besuchen uns aufgrund der Geselligkeit und der speziellen Stimmung in den Kellern. Man kann bei gutem Essen an einem speziellen Ort eine schöne Zeit mit Freunden verbringen – dabei dürfen der Wein und der Schnaps nicht fehlen.» Manche Gruppen würden bezüglich des Trinkens ziemlich Gas geben. «Der Abend wird manchmal heiterer und heiterer». Es gehe aber auch um das Weitergeben der Tradition, «wir wollen den Leuten, welche die Wurst nicht kennen, die Spezialität näherbringen». Einige Winzer haben sich in der Vergangenheit laut Mürset sogar überlegt, ob sie die Treberwurst nicht als «immaterielles Kulturgut der Schweiz» anmelden könnten, damit sie auf die Liste der Unesco kommt.
Herz schlägt höher beim Wein
Die Treberwürste seien mittlerweile nicht mehr nur ein Nebenverdienst, führt Tinu Mürset weiter aus. «Der Wein und die Wurst halten sich von den Einnahmen her in etwa die Waage. Meine Leidenschaft aber liegt klar beim Weinbau». Schlussendlich mache die Kombination aus Wein und Wurst das Ganze spannend. «Mich freut es, wenn ich den Gästen in meinem Keller zur Wurst auch meinen eigenen Wein ausschenken kann. So brauche ich für die Weine gar keine Werbung mehr zu machen», sagt Mürset.
Bezüglich der Rivalität unter den Winzern, welche Treberwürste anbieten, sagt er: «Ob ein Mitbewerber mehr oder weniger Gäste hat, das interessiert mich nicht. Grundsätzlich wollen wir einfach die feine Spezialität des Bielersees zeigen und in die Schweiz hinaustragen.»
Bereits in den 1980er-Jahren habe er die Treberwürste in seinem Keller angeboten: «Damals war es noch so, dass ich die Gäste auf Weinharassen sitzen lassen musste. Aus diesen schauten zum Teil noch Nägel heraus. Als ich dann die ersten vornehmen Zürcher Frauen zu Gast hatte, welche Strümpfe trugen, und selbst diese von der Wurst begeistert waren, trotz der Sitzgelegenheit, war mir klar: Doch, das ist etwas, das zieht!»