Das Wandbild im Blickfeld des Kantonsparlaments und der Besuchenden auf der Tribüne sei zu düster. Bern müsse doch optimistischer in die Zukunft schauen, forderte Thomas Brönnimann (GLP) am Dienstag. Damit begann eine untypische Debatte für den Grossen Rat. Untypisch aufgrund der Thematik, aber auch, weil es während der Diskussion ungewöhnlich still blieb im Saal.
Brönnimann wollte, dass die Fläche des Wandbilds künftig «multifunktional» genutzt wird. Etwa für Projektionen der vom Rat diskutierten Inhalte oder für «zeitgemässe Kunst am Bau». Hierfür forderte er die Durchführung eines Wettbewerbs.
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Was ist auf dem Wandbild zu sehen?
Das Wandbild stammt aus dem Jahr 1942, als das mittlerweile stark denkmalgeschützte Rathaus umgestaltet wurde. Gemalt wurde das Bild von Karl Walser, dem Bruder des Schriftstellers Robert Walser. Es zeigt muskulöse Männer, umgeben von grossen Steinen, beim Bau der Stadt Bern. Ein Bär schaut sich auf der Baustelle um, ganz am Rand steht eine Frau mit zwei Kindern. Das Gemälde ist vorwiegend in Brauntönen gehalten und eher düster, «nicht inspirierend» und «deprimierend», wie Brönnimann fand.
«Es gibt Wichtigeres»
Kunst verändere sich im Laufe der Zeit stark, das Thema sei deshalb «enorm wichtig», bekräftigte Beat Cattaruzza (GLP). Karin Fisli von der SP-Fraktion sah das etwas anders. «Kunst ist Geschmackssache. Wir sind nicht gewählt, um über Bilder zu diskutieren.» Es gebe doch viel Wichtigeres.
Der Rat werde sich sowieso nicht einigen können, was Kunst sei, meinte Dominik Blatti (EDU). Ob es denn keine existenzielleren Probleme gebe, fragte Tabea Bossard-Jenni (EVP) rhetorisch.
«Wenn ein Argument gegen unsere Debatte ist, dass es Wichtigeres gibt – dann würde das für manche Diskussion hier gelten», adressierte Hannes Zaugg-Graf (GLP) an seine Kolleginnen und Kollegen.
Sie möchte bald wieder über Dinge sprechen, die etwas bewegen würden, sagte Claudine Esseiva (FDP), äusserte sich aber auch zum Bild. Dieses sei zwar aus der Zeit gefallen, aber dennoch Zeugin der damaligen Zeit. «Mir gefällt das Bild nicht», fand Sibyl Eigenmann (Mitte). «Aber lassen wir dieses alte Haus doch mal etwas in Ruhe und konzentrieren uns aufs Wesentliche».
Mahnmal gegen Faschismus oder Wokeismus?
Auch von den Grünen gab es für die GLP keine Schützenhilfe. «Das Bild ist ein Statement gegen Faschismus», sagte Regula Bühlmann. Ihre Partei würde es aber auch ohne Denkmalschutz behalten wollen. Sowieso sei Kunst am Bau ein Luxus, solange das Rathaus nicht barrierefrei zugänglich sei. Samuel Krähenbühl (SVP) bezeichnete das Bild als «ein Mahnmal gegen den Wokeismus». Er sehe es sich jeden Morgen sehr gerne an.
Dem Diskussionsverlauf entsprechend verwarf das Parlament die beiden Anliegen aus den Reihen der GLP wuchtig. Etwas mehr Einigkeit herrschte bei der Frage, ob das Rathaus künftig CO2-neutral betrieben werden soll, aber auch dieses dritte Anliegen der Motion blieb letztlich chancenlos. Das erstaune ihn etwas, befand Motionär Brönnimann zum Schluss. «Dauernd enerviert sich der Grosse Rat über die Denkmalpflege – und argumentiert jetzt selber genau gleich.»
Danach diskutierte der Grosse Rat weiter – über barrierefreie Ladestationen für Elektroautos, Parkplätze für Menschen mit Mobilitätsbehinderungen und Fahrpreise im ÖV. Stets im Blick: das Wandbild mit dem Titel «Bern bei der Arbeit».
(sda/lba)