Unangenehme Blicke

Sollen Frauen im Gym künftig besser alleine trainieren?

· Online seit 20.02.2023, 05:38 Uhr
Frauen, die nicht zu den Spitzenzeiten trainieren, werden oft ungewollt beobachtet, erklärt eine betroffene Spitzensportlerin. Sie wünscht sich Zeitfenster, in denen nur Frauen trainieren können. Der Fitnessverband findet dies nicht sinnvoll.
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Charlie W.* (Name geändert) ist Spitzensportlerin, weshalb sie jede Woche mehrmals im Gym trainiert, auch tagsüber: «Ich versuche, die Time-Slots zu nutzen, an denen ich weiss, dass nicht viele Leute trainieren.» Zu Spitzenzeiten könne sie nicht alle Übungen machen, die sie möchte.

Tagsüber komme es aber zu unangenehmen Situationen, etwa durch unerwünschte Blicke. Dies führe so weit, dass W. ihre Trainingszeiten entsprechend richtet: «Mit der Zeit geht man nicht mehr zu bestimmten Zeiten, weil man weiss, dass dann jemand dort ist, der gafft oder von dem man sogar schon wegen der Handynummer angesprochen wurde.» Deshalb stehe sie beispielsweise kurz davor, am Mittwochnachmittag nicht mehr ins Gym zu gehen.

«Alle haben Pause gemacht»

«Meistens sind diese Leute zwischen 40 und 60 Jahre alt. Sie machen gefühlt nichts anderes, ausser zu gaffen.» Vor wenigen Tagen sei es besonders schlimm gewesen: «An diesem Tag bin ich nur noch wütend im Gym herumgelaufen.» Besonders unangenehm sei es auch einmal gewesen, als rund 20 Männer im Raum gewesen seien und sie als einzige Frau. «Etwa zehn Männer waren immer in meiner Region und haben vor allem Pause gemacht.» Diese seien einfach herumgestanden.

Um den Blicken entgegenzuwirken, achte W. auch auf ihre Kleidung: «Ich laufe im Pyjama rum, gefühlt.» Konkret heisse das, sie trage übergrosse T-Shirts und lange Hosen. «Wenn dann jemand in einem bauchfreien Outfit und körperbetonten Hosen kommt, tut mir diese Person schon fast leid, obwohl ich mich dann abgelöst und wohler fühle.»

Um den Gaffern aus dem Weg gehen zu können, wünscht sich W., dass Gyms Zeiten anbieten würden, an denen nur Frauen trainieren können. «Vielleicht einen solchen Time-Slot um die Feierabendzeit und einmal einen tagsüber.»

Fitnessverband: «Time-Slots nicht sinnvoll»

Claude Ammann ist Präsident des schweizerischen Fitness- und Gesundheitsverbandes. Beschwerden wegen Fällen wie jenen von W. hat der Verband bisher keine entgegennehmen müssen, erklärt er auf Anfrage. Falls es zu solchen Vorfällen komme, sei die Empfehlung, sich direkt an die Geschäftsleitung oder die Inhaberinnen und Inhaber der Betriebe zu melden.

Einen Leitfaden zum Thema gebe es allerdings nicht: «Da sich solche Vorfälle bis jetzt nicht zugetragen haben, beziehungsweise nie an uns gemeldet wurden, haben wir kein Bedürfnis, dies auszuarbeiten oder anzubieten.» Auch in seinem Betrieb habe er keine solche Beschwerde entgegennehmen müssen.

Die Forderung von W. nach Time-Slots für Frauen erachtet Ammann nicht sinnvoll: «Ansonsten müssten ja auch Time Slots für alle Randgruppen angeboten werden, welche in einem Fitnessunternehmen trainieren, da sonst eine Diskriminierung erfolgt.» Es gebe aber auch andere Angebote, die infrage kommen könnten: «Menschen, welche sich so ‹ausgestellt› fühlen, haben die Möglichkeit, in Fitnesscentern zu trainieren, in denen nur Frauen erlaubt sind.»

(pfl)

veröffentlicht: 20. Februar 2023 05:38
aktualisiert: 20. Februar 2023 05:38
Quelle: BärnToday

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