«Beruhigt im Alter»

Sterbehilfe-Organisation Exit betreibt Kampagne in Berner ÖV

04.11.2022, 07:01 Uhr
· Online seit 04.11.2022, 05:48 Uhr
Im öffentlichen Verkehr der Stadt Bern ist zurzeit eine Kommunikationskampagne der Sterbehilfe-Organisation Exit aufgelegt. Ein polarisierendes Thema, an dem sich Einzelpersonen zwar stören mögen, das aus werbetechnischer Sicht aber unbedenklich ist.
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Wer aktuell in der Stadt Bern mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, wird wahrscheinlich bereits eine etwas besondere Werbekampagne bemerkt haben: Die Schweizer Sterbehilfe-Organisation Exit macht mit dem Text «beruhigt im Alter» auf Flyer zum Mitnehmen aufmerksam. Als neues Mitglied bei Exit erhält man unter anderem eine personalisierte Patientenverfügung, Beratung bei Krankheit und schwierigen gesundheitlichen Situationen und – bei Bedarf – eine Begleitung in den Freitod.

Bei den Plakaten handle es sich in erster Linie um eine Aufmerksamkeitskampagne, schreibt Exit auf Anfrage. «Dafür bieten sich öffentliche Verkehrsmittel aufgrund des hohen Passagieraufkommens an.» Die Plakat-Aktion reihe sich in verschiedene Kommunikationsmassnahmen ein, die die Organisation regelmässig durchführt. «Der Zeitpunkt hängt mit der Planung und den Abständen zwischen den Massnahmen zusammen und hat nicht einen besonderen saisonalen Hintergrund», gibt Exit bekannt.

Zwei Rückmeldungen aufgrund der Exit-Kampagne

Wie kommt die Aktion bei der Bevölkerung an? Schliesslich polarisiert das Thema Sterbehilfe. Assistierter Suizid, also die Beihilfe zur Selbsttötung – beispielsweise durch das Bereitstellen eines Gifts, dass die betroffene Person eigenständig einnimmt – ist in zahlreichen Ländern verboten. So kam es in den vergangenen Jahren immer wieder vor, dass Personen aus dem Ausland in die Schweiz gereist sind, um hier ihr Leben zu beenden. Darunter etwa zwei Schwestern aus den USA oder ein 104-jähriger Australier. 2021 verzeichnete die Organisation Exit einen neuen Rekord.

«Wir erhielten aufgrund der Plakat-Aktion zwei Rückmeldungen von Personen, welche mit dem Thema Sterbehilfe Mühe haben», erzählt Rolf Meyer, Leiter Kommunikation bei Bernmobil. Allerdings sei Bernmobil auch nicht selbst für die Werbung im Berner ÖV zuständig – die Werbeflächen würden durch das Unternehmen APG SGA verpachtet.

Thema Sterbehilfe für Werbung bedenkenlos

APG SGA nehme keine Zensuren vor, gibt das Unternehmen auf Anfrage bekannt. Verantwortlich für den Inhalt seien jeweils die Werbetreibenden. «Sujets, die den gesetzlichen Bestimmungen, den Vorgaben der Marktpartnern, den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der APG SGA und den Empfehlungen der Lauterkeitskommission entsprechen, dürfen ausgehängt werden», erklärt Nadja Mühlemann, Leiterin Public Relations. Das Thema Sterbehilfe sei somit kein Problem, weder für die APG, noch für Bernmobil.

«Das Thema Sterbehilfe ist durch die Meinungsfreiheit geschützt», so Meyer. Grundsätzlich behalte sich Bernmobil aber vor, bei politischen Werbeanfragen oder beispielsweise auch Werbung zu Alkohol zu intervenieren.

Stetiger Mitgliederanstieg bei Exit

Ob durch die Aufmerksamkeitskampagne, die auch in Basel und Zürich läuft, mehr Personen der Sterbehilfe-Organisation beitreten, könne Exit zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Aber: Der Verein verzeichnet seit Jahren einen Mitgliederanstieg. Auch die Anzahl der Freitodbegleitungen habe in den letzten Jahren zugenommen.

Gemäss Exit habe die Zunahme mehrere Gründe: «Einerseits der gesellschaftliche Wandel, so kommt eine stetig selbstbestimmtere Generation ins Alter.» Aber auch die alternde Bevölkerung, die Zunahme der Demenzdiagnosen, das Bevölkerungswachstum und die vermehrte Medienaufmerksamkeit seien Faktoren, erklärt Mühlemann.

veröffentlicht: 4. November 2022 05:48
aktualisiert: 4. November 2022 07:01
Quelle: BärnToday

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