Berner Streetart

Wie «Niemer» vom illegalen zum legalen Sprayer wurde

· Online seit 23.09.2022, 16:43 Uhr
Für viele gehören Graffitis zum Stadtbild. Die meisten davon werden illegal angebracht. Was macht die Faszination Sprayen aus? Der Berner Graffiti-Künstler «Niemer» gibt Auskunft.

Quelle: BärnToday / Warner Nattiel & Lara Aebi

Anzeige

Beim Spaziergang durch die Stadt sieht man sie zu Tausenden: Illegale Graffitis sind so omnipräsent, dass sie zum Stadtbild zählen. Auch die Berner Reithalle ist einer der Orte, der ohne Graffitis nicht mehr derselbe wäre. Hunderte zieren den Eingang und die Zugbrücke. Auch  «Niemer» hat einst hier gesprayt. Der Künstler zeigt uns die entsprechenden Stellen, die mittlerweile allerdings längst wieder übermalt wurden.

«Niemer» ist Graffitikünstler – mit 14 Jahren begann er, sich für die Kunstform zu interessieren. «Der ältere Bruder eines Kollegen von mir hat Graffitis gemalt. Ich fand es toll und versuchte es selbst.» Er begann mit Skizzen, sprayte später das erste Mal legal an einer Unterführung bei seiner alten Schule. «Danach kam der Reiz, andere Wände zu verschönern, schnell.»

Seine Motive sind vielfältig. «Es ist eine Mischung aus Improvisation und Planung. Meistens hat man eine Idee, wie das Bild schlussendlich aussehen soll. Dann probiert man, mit welcher Farbe das Bild besser zur Geltung kommt.»

Zu seinen Vorbildern zählen Szenengrössen wie das Schwarzmaler-Kollektiv, aber auch der Basler Sigi von Koeding, besser bekannt als «Dare».

DARKZ wird zu «Niemer»

Es folgten Jahre des illegalen Sprayens unter dem Namen «DARKZ». Hinter seinem neuen Künstlernamen steckt eine tiefere Bedeutung: «Ich will mich vom Personenkult loslösen. Bei Graffitis geht es um das, was du malen kannst. Ich finde es schade, dass in vielen Kunstarten die Person mehr ausmacht als die Kunst selbst.»

Orte zum Sprayen gebe es viele, reizvoll seien aber vor allem jene, welche für eine grosse Sichtbarkeit sorgen. «Man will schliesslich, dass das Bild gesehen wird. Daher ist die ultimative Leinwand in der Sprayer-Szene ein Zug, der in der ganzen Schweiz unterwegs ist.» Durch seine illegalen Sprayereien ist «Niemer» einige Male mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, wurde sogar einmal abgeführt. «Schlussendlich glaube ich, dass es der Staatsanwaltschaft oftmals zu blöd ist, wegen eines Tags eine Riesensache zu machen.»

Dennoch: Illegales Sprayen ist Sachbeschädigung und gemäss Kriminalstatistik der Kantonspolizei Bern im Jahr 2021 die häufigste Art von Vandalismus. Man müsse aber differenzieren, um welche Orte es geht, sagt «Niemer». «Hier an der Reitschule muss man sich fragen, ob es überhaupt jemanden stört. Eine Autobahnbrücke kann zum Beispiel durch ein schönes Bild aufgewertet werden. Allerdings würde ich nicht auf Sandstein sprayen, da diese Oberfläche auch zum Reinigen schwierig ist. Sobald kulturelles Erbe besprüht wird, finde ich es respektlos.»

Jetzt nur noch legal

Mittlerweile hat «Niemer» mit illegalen Graffitis aufgehört und malt nur noch legal. «Beim illegalen Sprayen hast du – ausser der eigenen Befriedigung – keinen Ertrag.» In Bern sind die Möglichkeiten, legal zu sprayen, gegeben. «Niemer» nutzt sie unregelmässig – manchmal malt er drei bis vier Mal pro Jahr, manchmal gar nicht. «Letztendlich ist es auch eine Kostenfrage. Für ein anständiges, legales Bild gehts schnell mal um 200 Franken.»

Doch sind legale Graffitis nicht ein Widerspruch in sich? Nein, findet «Niemer»: «Für mich ist es weniger ein Widerspruch als eine Ergänzung für alle, die sich künstlerisch weiterentwickeln wollen.»

veröffentlicht: 23. September 2022 16:43
aktualisiert: 23. September 2022 16:43
Quelle: BärnToday

Anzeige
Anzeige
baerntoday@chmedia.ch