Menschenrechte

Amnesty International kritisiert Schweiz

28.03.2023, 07:28 Uhr
· Online seit 28.03.2023, 05:59 Uhr
Die internationale Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat die Schweiz in ihrem neuesten Jahresbericht kritisiert. Rassismus sei in der Schweiz allgegenwärtig, das Recht auf Abtreibung gefährdet und die Massnahmen gegen die Klimaerwärmung ungenügend.
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Beim Vorwurf des systemischen Rassismus in der Schweiz stützte sich Amnesty International auf die Äusserung der Arbeitsgruppe für Menschen afrikanischer Abstammung der Vereinten Nationen. Diese empfahl ein gesetzliches Verbot von diskriminierenden Personenkontrollen (Racial Profiling) und die Einrichtung unabhängiger, ziviler Beschwerdemechanismen mit Aufsichts- und Disziplinargewalt über die Polizei in allen Kantonen.

Auch das Recht auf Abtreibung sei in der Schweiz bedroht, hiess es im Bericht von Amnesty. Diese Aussage stützte die Organisation auf die zwei im Dezember 2021 von SVP-Parlamentarierinnen lancierten parlamentarischen Initiativen, welche Schwangerschaftsabbrüche beschränken sollen.

Als weiteres Beispiel nannte Amnesty die Ablehnung einer Initiative der Waadtländer Grüne-Nationalrätin Léonore Porchet im März 2023, welche die vollständige Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs empfohlen hatte, wie sie auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt.

Kritik an Sexualstrafrecht und Massnahmen gegen Klimawandel

Weiter kritisierte Amnesty auch, dass sich das Parlament bezüglich der Revision des Sexualstrafrechts nicht einigen konnte. Dies auch wenn sich die beiden Räte mit dem Kompromissvorschlag des Ständerats zuletzt angenähert hatten.

Der Ständerat beharrte im Gegensatz zum Nationalrat auf der «Nein heisst Nein»-Regelung. Er näherte sich der grossen Kammer jedoch mit der Einbeziehung des Schockzustands des Opfers in den Vergewaltigungstatbestand zuletzt an, die dann auch die zuständige Nationalratskommission guthiess.

Die Massnahmen gegen die Klimaerwärmung seien zudem unzureichend, schrieb die Menschenrechtsorganisation weiter. Zuletzt wurde die Beschwerde der «Klimaseniorinnen», die behaupteten, dass sich ihr Gesundheitszustand wegen unzureichender Massnahmen der Schweiz gegen die Klimaerwärmung verschlechtert habe, vor dem Bundesgericht abgewiesen.

Die «Klimaseniorinnen» beschwerten sich daraufhin mit einer Klage gegen die Schweiz am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Die Verhandlung vor der Grossen Kammer des Gerichtshofs findet am 29. März statt. Der Vorschlag des Schweizer Parlaments, das Ziel der Netto-Null-Emissionen bis 2050 gesetzlich zu verankern, steht derweil am 18. Juni zur Abstimmung.

Schweizer Asylpraxis kritisiert

Im Asylbereich stünde die schnelle Hilfe für Menschen, die vor dem Konflikt in der Ukraine fliehen, im Gegensatz zu den mangelhaften Regelungen, die für vorläufig aufgenommene Asylsuchende aus anderen Ländern gelten würden, hiess es in dem Bericht.

Aufgrund der Ankunft ukrainischer Flüchtlinge seien Projekte zur Verbesserung der Lebensbedingungen in den Bundesasylzentren verschoben worden. Menschen seien zudem teilweise während ihrer Zwangsausschaffung gefesselt und die Rechte von Kindern nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Auch die Rechte von 1,8 Millionen Menschen mit Behinderungen, die es in der Schweiz gibt, würden nicht ausreichend geachtet. Amnesty bezog sich hierbei auf den zuständigen Ausschuss der UNO, der im März 2022 befand, dass die Schweiz die Rechte von Menschen mit Behinderung verletzt habe.

Amnesty International sieht Doppelmoral des Westens

Härte gegen Moskau, Milde bei Freunden: Mit Verweis auf die Folgen des russischen Kriegs gegen die Ukraine prangerte Amnesty International Doppelmoral an. «Die entschlossene Reaktion des Westens auf Russlands Aggression gegen die Ukraine steht in scharfem Kontrast zu einem beklagenswerten Mangel an sinnvollen Massnahmen gegen schwerwiegende Verletzungen durch einige seiner Verbündeten, darunter Israel, Saudi-Arabien und Ägypten», kritisierte die Menschenrechtsorganisation.

Dass der Westen mit zweierlei Mass messe, habe es Ländern wie China, Ägypten und Saudi-Arabien ermöglicht, Kritik an ihrer Menschenrechtsbilanz zu umgehen, sie zu ignorieren und davon abzulenken, betonte Amnesty. Doppelmoral und unangemessene Reaktionen auf Menschenrechtsverletzungen würden auf der ganzen Welt zu Straflosigkeit und Instabilität führen.

Scharfe Kritik gab es auch am brutalen Vorgehen der iranischen Regierung gegen Demonstranten sowie an Einschüchterungsversuchen mit Gewalt und Drohungen aus China.

(sda)

veröffentlicht: 28. März 2023 05:59
aktualisiert: 28. März 2023 07:28
Quelle: sda

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