Folgen der «Multikrise»

Die Psyche der Schweizer Jugend leidet – «Der Staat muss jetzt handeln»

11.11.2022, 15:46 Uhr
· Online seit 11.11.2022, 15:40 Uhr
Die psychische Gesundheit von Schweizer Kindern und Jugendlichen hat sich drastisch verschlechtert, wie aktuelle Daten von Pro Juventute belegen. Von Bund und Kantonen fordert die Stiftung nun Soforthilfe. Unterstützung erhält sie dabei von sämtlichen Jungparteien.
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Beratungsangebote für Jugendliche sollen vom Bund ausgebaut und finanziell besser unterstützt werden. Das fordert die Stiftung Pro Juventute gemeinsam mit sämtlichen Jungparteien. Aufgrund der vielen Krisen – Stichworte Ukrainekrieg, Corona-Pandemie und Energiekrise – habe sich die psychische Gesundheit der Jugendlichen drastisch verschlechtert, mahnt die Stiftung.

Auf dem Bundesplatz in Bern hat sie am Donnerstag deshalb ein überdimensionales Telefon platziert, welches ununterbrochen klingelt, deren Anrufe am anderen Ende der Leitung aber nicht beantwortet werden können. Damit wollen Pro Juventute und die Jungparteien ausdrücken, dass das Sorgentelefon überlastet ist.

Wartezeit dauert mehrere Monate

Der Beratungsbedarf am Telefon sei in den letzten zwei Jahren um ganze 34 Prozent gestiegen, begründet Pro-Juventute Direktorin Katja Schönenberger die Ausbauforderung gegenüber CH Media. Der Bedarf sei gross, der Nutzen ebenfalls: «Erstanlaufstellen wie die Nummer 147 können sehr viel bewirken, und sei es bloss die Erste Hilfe bei psychischen Problemen.»

Zudem könnten sie andere Beratungsangebote, die später folgen würden, entlasten, sagt Schönenberger. Denn aktuell dauere es mehrere Monate, bis Jugendliche einen Therapieplatz erhalten, moniert Pro Juventute. Vor der Pandemie betrug die Wartezeit im Schnitt rund sechs Wochen.

«Kann nicht sein, dass Psyche ein Budgetposten ist»

Nebst Corona oder dem Ukraine-Krieg führt Schönenberger auch die drohende Inflation, die Klimakrise oder soziale Ungerechtheiten als Mitgründe für die prekäre Situation an: «Kinder und Jugendliche bekommen dies von allen Altersgruppen am meisten zu spüren», sagt Schönenberger. Die «Multikrise», wie sie es nennt, treffe die Jungen in einer besonders verletzlichen Lebensphase.

Besonders alarmierend sei, dass sich die Anzahl Beratungen wegen Selbstmordgedanken verdoppelt haben. So sei eine finanzielle Unterstützung vonseiten des Staats unumgänglich. Marc Rüdisüli, Präsident der jungen Mitte, sagt: «Es kann nicht sein, dass die Psyche der Jugendlichen irgendein Budgetposten ist. Es muss jetzt wirklich Geld gesprochen und das Angebot bekannter gemacht werden.»

Zwei bürgerliche Jungparteien wollen andere Ansätze

Damit meint Rüdisüli, dass über die Hälfte der Jungen gar nicht wissen würden, wo sie Hilfe holen können. Juso-Präsident Nicola Sigrist fordert deshalb eine Unterstützung auf allen Ebenen: «Grundsätzlich kann man sagen, dass der ganze Bereich der Therapien und psychosozialen Unterstützungen unterfinanziert ist. Es gibt zu wenig Personal und eine hohe Fluktuation.» Deshalb brauche es eine grosse Bandbreite an Massnahmen.

Die junge SVP und die jungen Freisinnigen waren bei der Aktion der Pro Juventute auf dem Bundesplatz nicht dabei. Sie unterstützen das Vorhaben und die Forderungen zwar, haben aber andere Vorstellungen darüber, wie man das Problem lösen könnte.

(Tina Colatrella/mhe)

veröffentlicht: 11. November 2022 15:40
aktualisiert: 11. November 2022 15:46
Quelle: ZüriToday

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