Renovate Switzerland

Grüne-Nationalrätin: «Gesellschaft muss mit zivilem Widerstand leben können»

01.11.2022, 12:37 Uhr
· Online seit 01.11.2022, 12:31 Uhr
Sie kleben sich auf Beton und blockieren die Strassen, zum Unmut der Autofahrer. Auch wenn viele Leute Verständnis für das Anliegen an sich haben, so schwindet die Geduld, macht es den Eindruck. Da stellt sich die Frage, wie produktiv die Aktionen für die Klimapolitik wirklich sind.
Anzeige

In der Schweiz ist es die Bewegung «Renovate Switzerland», die in verschiedenen Städten und Strassen hierzulande zum Sekundenkleber greift. Solche radikalen Mittel seien nötig, sagt die Bewegung, weil alles andere nichts (mehr) nütze. Die Politik handle nicht, so der Vorwurf. Was sagen die Grünen dazu? Können sie den Vorwurf nachvollziehen? Und: Unterstützen sie solche Aktionen?

Parlament hat 2 Millionen Franken abgesegnet

Die Grünen-Nationalrätin Natalie Imboden aus dem Kanton Bern äussert sich vorsichtig dazu – Protest und Politik seien schlicht zwei unterschiedliche Rollen, sagt sie gegenüber der Today-Zentralredaktion: «Das Problem ist: Die Klimapolitik ist dringend. Ein Teil der Menschen übt sie mit Protesten auf der Strasse aus, wir als Partei hingegen können in den Parlamenten und Exekutiven handeln.»

Imboden sagt, sie verstehe die Ungeduld der Leute, die finden, in der Klimapolitik gehe es zu wenig vorwärts. Nur: In der Herbstsession in Bundesbern war es zuletzt sehr wohl zügig vorwärts gegangen: Das Parlament hat zwei Milliarden Franken für das Ersetzen von Öl- und Gasheizungen in den nächsten zehn Jahren gutgeheissen. Dennoch findet Imboden: Der Protest hat seine Berechtigung.

Forderung ist nicht radikal, sondern realistisch

«Der gesellschaftliche Protest gehört nun mal zu einer Demokratie», sagt sie. «Ich glaube, eine Gesellschaft muss mit solchem zivilem Widerstand leben können. Wichtig ist, dass die Politik handelt. Dafür setzten wir uns Grüne auch ein.»

Und gegen das neue Klima-Gesetz, welches die Gebäudesanierungen vorsieht, habe die SVP ja auch das Referendum ergriffen. Somit sei es noch nicht in trockenen Tüchern, betont die Grünen-Nationalrätin. Letzten Endes ist es genau das, was die Klimaaktivisten fordern: Vorwärts machen bei den Gebäudesanierungen. Die Forderung ist legitim – und sogar auf gutem Wege, umgesetzt zu werden.

«Leute, die Anliegen unterstützen würden, werden wütend»

Erübrigt sich dadurch ein Strassenprotest nicht etwa? Der Aargauer Grünliberalen-Nationalrat Beat Flach glaubt zumindest, dass sich die Klimaaktivisten in ihrem Anliegen selbst schaden: «Ich kann die Hilflosigkeit, die sie verspüren, zwar nachvollziehen. Aber der Sache dienen sie nicht wirklich.» Man habe erkannt, dass vorwärts gemacht werden muss, sagt Flach. «So ist es nun viel wichtiger, dass man wählen und abstimmen geht, statt Leute wütend zu machen, die das Anliegen eigentlich unterstützen würden.»

So bleibt die Frage: Wenn die Forderungen nicht radikal sind – ist es dann das radikale Vorgehen auf den Strassen?

veröffentlicht: 1. November 2022 12:31
aktualisiert: 1. November 2022 12:37
Quelle: Today-Zentralredaktion

Anzeige
Anzeige
baerntoday@chmedia.ch