Bundesratswahlen

«Jetzt ist es Zeit für eine schwarze Bundesrätin»

· Online seit 09.11.2022, 07:15 Uhr
In der Debatte um die Nachfolge für Simonetta Sommaruga kommt die Hautfarbe ins Spiel. Yvonne Apiyo Brändle-Amolo der SP Migrant:innen wünscht sich eine schwarze Frau in der Regierung. Unterstützung erhält sie auch von bürgerlicher Seite.
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Mit dem reinen Frauen-Ticket hat die SP rund um den frei werdenden Bundesratssitz von Simonetta Sommaruga bereits Staub aufgewirbelt. Vielerorts wird Kritik laut, dass die Partei damit männliche Kandidaten von Vornherein ausschliesse. In der Debatte um mögliche Kandidierende kommt neben der Geschlechterfrage nun auch die Hautfarbe ins Spiel.

«In der Landesregierung wäre es Zeit für eine schwarze Vertreterin», sagt Yvonne Apiyo Brändle-Amolo, Vertreterin der SP Migrant:innen Schweiz im Parteirat und Schlieremer Gemeinderätin. Sie bezeichnet ihre Aussage als frommen Wunsch, der längst überfällig sei. «Wir sollten den in unserer Bundesverfassung verankerten Gedanken von Vielfalt und Demokratie praktizieren, indem wir Bundesrätinnen und Bundesräte wählen, die die Diversität der Schweizer Bevölkerung widerspiegeln.»

Brändle-Amolo bedauert, dass die Realität anders aussehe als die ideale Situation. «Zuerst müsste es im eidgenössischen Parlament dunkelhäutige Vertreterinnen geben, bevor wir dunkelhäutige Bundesrätinnen haben können.»

Ricardo Lumengo und Tilo Frey

Bis jetzt sind im Parlament keine People of Color vertreten. Eine Ausnahme bildete der Bieler Ricardo Lumengo, der 2007 als erster Schwarzer in den Nationalrat einzog. 2010 wurde er aber wegen Stimmenfangs beschuldigt, worauf ihn die SP fallen liess. 2012 wurde er jedoch vom Bundesgericht freigesprochen.

Noch weiter liegt die erste schwarze Frau im Nationalrat zurück. Die Neuenburgerin Tilo Frey, Tochter eines Schweizers und einer Kamerunerin, wurde 1971 für die FDP in den Nationalrat gewählt und amtete dort bis 1975. Eine schwarze Bundesrätin oder einen schwarzen Bundesrat gab es in der Geschichte der Schweizer Regierung noch nie.

«So sehr ich geschmeichelt bin, so viel Basisarbeit ist nötig»

Die Debatte über People of Color in der Landesregierung stiess Brändle-Amolo kürzlich auf Social Media an. «Nein, Liebe, ich überlege mir nicht, für Simonetta Sommarugas Sitz zu kandidieren!», witzelte die SP-Politikerin zu einem Foto. Auf diesem ist sie Arm in Arm mit der Genfer Stadtpräsidentin Marie Barbey-Chappuis zu sehen anlässlich des «International Art Contest for Minority Artists Working on Statelessness».

Sie bedanke sich für den Vorschlag, schrieb Brändle-Amolo weiter. «Und so sehr ich geschmeichelt bin, so viel Basisarbeit ist nötig.» Für den Post erhielt sie zahlreiche Likes.

Leute hätten sie ermuntert

Ein Sprecher von Marie Barbey-Chappuis bestätigt auf Anfrage, dass es sich beim Post auf Social Media um einen Scherz von Brändle-Amolo handle anlässlich eines kürzlichen Besuchs in Genf. «Aber dieser soll nicht ganz ernst genommen werden.»

Bis jetzt hat noch keine SP-Politikerin offiziell ihr Interesse an einer Kandidatur für den vakanten SP-Sitz im Bundesrat angemeldet. Brändle-Amolo sagt, dass einige Leute sie ermuntert hätten, sich zur Verfügung zu stellen. «Ich war überrascht, dass ich von Menschen innerhalb und ausserhalb meines politischen Kreises ermutigt wurde, insbesondere von denen, die mit mir auf internationalen Plattformen zusammengearbeitet haben.»

FDP-Ständerat würde Kandidatur begrüssen

Auf offene Ohren stösst der Wunsch nach einer schwarzen Bundesrätin auch in bürgerlichen Kreisen. Der Urner Ständerat Josef Dittli würde eine Kandidatur von Yvonne Brändle-Amolo begrüssen. «Ob jemand schwarz ist oder aus China kommt – entscheidend für den Bundesrat ist nicht die Hautfarbe, sondern, wer die beste Person dafür ist», sagt Dittli.

Er bezeichnet die Schweiz als demokratisches Land, in dem alle Bürgerinnen und Bürger die gleichen Rechte hätten. «Die Schweiz ist so tolerant, dass es nicht auf die Hautfarbe ankommt, sondern auf die Qualitäten einer Bundesratskandidatin oder eines Bundesratskandidaten.»

veröffentlicht: 9. November 2022 07:15
aktualisiert: 9. November 2022 07:15
Quelle: Today-Zentralredaktion

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