Jugendschutzgesetz

Netflix schauen nur noch mit Reisepass?

09.01.2023, 18:48 Uhr
· Online seit 09.01.2023, 15:02 Uhr
Geht es nach Parlament und Bundesrat, könnte dies schon bald Tatsache sein. Wer auf Netflix oder Youtube sein will, soll sich per Pass registrieren – unabhängig davon, ob nicht jugendfreie Inhalte geschaut werden.
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Das «Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele» hat bisher nicht wirklich viel zu reden gegeben. Die Unterschriftensammlung der Gegner, die ein Referendum erzwingen wollen, ist noch nicht von grossem Erfolg gekrönt – ihnen bleibt nur noch bis am 19. Januar Zeit, die erforderlichen 50'000 Stimmen zu sammeln. Kurz vor Weihnachten hatten sie nicht mal die Hälfte beisammen, wie «Blick» schrieb.

Altersprüfung gilt von Beginn weg

Interessiert das neue Gesetz, das Minderjährige vor Pornos oder gewaltvollen Video-Games schützen möchte, überhaupt niemanden? Diesen Verdacht hegt zumindest das Tech-Magazin «dnip» – ein Umstand, den das Magazin nur schwer verstehen kann. Betroffen sind immerhin jegliche Anbieter in den Bereichen Film und Videospiele. Dazu gehören also auch Streaming-Services wie Netflix oder Video-Plattformen wie Youtube, die hierzulande rege genutzt werden.

Was «dnip» aber wirklich stört ist, dass sich das Gesetz eben nicht bloss auf Pornografie oder Gewalt-Inhalte beschränkt. Wer auf YouTube oder Netflix ein neues Konto errichten möchte, wäre zu diesem Zeitpunkt ebenfalls schon davon betroffen – unabhängig davon, ob dann auch nicht jugendfreie Inhalte konsumiert werden oder nicht.

Sogar biometrische Daten könnten gesammelt werden

Da wird es aus datenschutz-technischer Sicht kritisch: Um solche Plattformen und Streaming-Angebote nutzen zu können, müssen folglich alle User ihre Identität ausweisen. Unsere Namen, das Alter oder der Geburtsort würden also in den Händen von Netflix und Co. landen – wenn die Anmeldung wirklich per Reisepass geschehen muss, womöglich sogar biometrische Angaben.

Der Bundesrat schlägt in der dazugehörigen Botschaft tatsächlich vor, dass die Altersprüfung über die «Einforderung einer Kopie des Personalausweises bei der Kontoeröffnung» geschehe. «dnip» kann das nicht verstehen: «Eine Mehrheit des National- und Ständerats sowie des Bundesrats möchte amerikanischen Datenkonzernen wie Google oder Meta nun freiwillig die Daten von Schweizer Daten liefern, ohne Gegenleistung.»

Das Gesetz gehe dabei zudem weiter als die meisten EU-Länder, in denen es nur eine Altersprüfung bei entsprechenden Inhalten braucht. Allerdings sei zu bezweifeln, dass Netflix oder Youtube selber die einzelnen Ausweise nur der Schweiz zuliebe genau prüfen würden – bei Nutzerzahlen in Milliardenhöhe.

Vereinheitlichung würde Sinn machen

«dnip» bemängelt nichtsdestotrotz, dass während den parlamentarischen Debatten in Bundesbern das Thema Datenschutz kaum angeschnitten worden sei. Einzig in den Reihen der SVP seien Zweifel vernommen worden. Präventive Aufklärungskampagnen würden mehr Sinn machen, als Altersprüfungen, betonte SVP-Nationalrätin Verena Herzog während einer Ratsdebatte. Hier ständen auch die Eltern in der Verantwortung.

Immerhin: «dnip» selbst möchte nicht leugnen, dass im Bereich Jugendschutz kein Handlungsbedarf bestehe. Das Gesetz habe in dieser Hinsicht durchaus eine Berechtigung, weswegen ein Referendum wohl scheitern könnte. Und weil die Altersfreigaben aktuell von den einzelnen Kantonen geregelt werde, so das Magazin weiter, mache eine Vereinheitlichung folglich Sinn – doch bleibe zu hoffen, dass der Datenschutz genauer geregelt werde.

veröffentlicht: 9. Januar 2023 15:02
aktualisiert: 9. Januar 2023 18:48
Quelle: Today-Zentralredaktion

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