Gesundheit

Psychische Störungen nehmen bei Mädchen stark zu

· Online seit 12.12.2022, 16:25 Uhr
Die Zahl der stationären Spitalaufenthalte wegen psychischer Störungen ist bei Mädchen und jungen Frauen zwischen zehn und 24 Jahren um 26 Prozent gestiegen. Das Bundesamt für Statistik (BFS) spricht von einer «beispiellosen Zunahme».
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Zum ersten Mal waren psychische Störungen auch die häufigste Ursache für eine Hospitalisierung bei dieser Altersgruppe – gesamt 19'523 Fälle. Das teilt das Bundesamt für Statistik (BFS) am Montag mit. Die Spitaleinweisungen wegen Suizidversuchen nahmen laut BFS zwischen den Jahren 2020 und 2021 in derselben Altersgruppe um 26 Prozent zu, die ambulanten psychiatrischen Leistungen im Spital um 19 Prozent. Radio 24 hat mit Mediensprecherin Lulzana Musliu-Shahin von Pro Juventute über die möglichen Ursachen gesprochen.

Radio 24: Bemerken sie diesen Anstieg?

Lulzana Musliu-Shahin: Bei Pro Juventute stellen wir seit zwei Jahren einen starken Anstieg bei den Beratungen fest. Vor allem eine starke Zunahme der Selbstverletzungen. Am Tag haben wir sieben bis acht Beratungen. Vor der Pandemie waren es drei bis vier. Die Anzahl an täglichen Beratungen hat sich also verdoppelt.

Ist Corona dafür verantwortlich?

Es ist sicher der erste Katalysator, aber es gab schon vorher verschieden Belastungen für die Jugendlichen. Jetzt gibt es viele Unsicherheiten, eine Multikrise. Die Folgen der Pandemie, der Krieg in der Ukraine und die Klimakrise. Alles Faktoren, welche die Jugendlichen in ihrer vulnerablen Situation belasten. Sprich: Sie sind verwundbar und diese Unsicherheiten führen zu Angst und psychischen Problemen.

Der Anstieg ist bei Mädchen und jungen Frauen gross: Warum ist das so?

Beim «147» haben wir sehr viel mehr weibliche Ratsuchende. Mädchen holen sich eher Hilfe und reden über ihre Probleme. Das weiss man auch von der Forschung. Man weiss auch, dass junge Männer ihre Emotionen weniger gegen sich selber richten, sondern dann Aggressivität ins Spiel kommt. Wenn, dann handeln sie eher aus dem Affekt. Deshalb gehört Suizid bei ihnen zur höchsten Todesursache. Das kann auch mit der Vorstellung vom starken Geschlecht zusammenhängen. Deshalb sollte man bei jungen Männern noch mehr hinsehen und das Hilfsangebot ausweiten.

Was muss besser werden?

In verschiedenen politischen Vorstössen haben wir mehr Unterstützung in den Hilfsangeboten gefordert. Dies, damit wir unser Angebot «147» mehr ausbauen können. Denn wir sind eine wichtige Anlaufstelle. Hilfesuchende warten mehrere Monate für einen Termin bei der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Wenn jemand akut suizidgefährdet ist und solche lange Wartezeiten herrschen, ist das sehr belastend für die Jugendlichen und deren Umfeld. Es braucht mehr Unterstützung, dass genügend Fachpersonal da ist, damit es nicht zu solchen Engpässen kommt.

Was empfehlen sie einem betroffenen Jugendlichen?

Ganz wichtig ist, dass man sich professionelle Hilfe holt. Unser Angebot «147» ist kostenlos und wir sind 365 Tage rund um die Uhr da. Es ist auch für Angehörige, wie Eltern. Die erste Beratung ist extrem wichtig, damit es auch mal angesprochen wird. Dabei soll gemeinsam mit dem betroffenen Jugendlichen herausgefunden werden, was ihm Spass macht und gut tut, um die Zeit zu überstehen. Das stärkt die Widerstandsfähigkeit. Wenn es in Richtung psychische Probleme geht, müsste man professionelle Hilfe bei einer Fachperson holen.

(joe)

veröffentlicht: 12. Dezember 2022 16:25
aktualisiert: 12. Dezember 2022 16:25
Quelle: Today-Zentralredaktion

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