Am 14. September ist das Aufbauspiel «The Wandering Village» des Schweizer Entwicklerstudios Stray Fawn Studio erschienen. Bereits in der ersten Woche verkaufte sich das Spiel satte 100'000 Mal.
Der Erfolg kam nicht ganz unerwartet: Anhand der Spieler, die sich das Spiel online bereits vorgemerkt hatten, gab es gute Vorzeichen, sagt Gamedesignerin und Studio Co-Gründerin Philomena Schwab. «Da haben wir gewusst, dass zur Veröffentlichung 500'000 Leute eine Mail erhalten werden. Normalerweise kaufen circa 10 Prozent davon in der ersten Wochen das Spiel. Trotzdem ist es für uns sogar noch besser gelaufen als erwartet.»
«150'000 Euro sind cool, aber nur ein Zehntel unseres Budgets»
Das Spiel wurde 2020 mit einem Crowdfunding über die Plattform Kickstarter vorfinanziert – über 6500 Leute hatten 155'000 Euro investiert. «150'000 Euro sind cool, aber das ist nur knapp ein Zehntel unseres Budgets», relativiert Philomena Schwab. Die Entwicklung habe bis jetzt rund 1,5 Millionen Franken gekostet. Das Crowdfunding habe aber geholfen. Es habe dem Studio einen Hinweis gegeben, dass die Leute für das Spiel Geld ausgeben würden.
Aber auch mit der Veröffentlichung im September ist die Spielentwicklung noch nicht abgeschlossen. «The Wandering Village» wurde als sogenannter Early-Access-Titel publiziert. «Das ist quasi ein Stempel, dass das Spiel noch nicht fertig ist», erklärt Schwab. «So können wir das Spiel schon etwas früher veröffentlichen. Es ermöglicht uns, Feedback einzuholen.» Das Spiel soll jetzt noch etwa ein Jahr weiterentwickelt werden. Die Veröffentlichung sei aber auch nötig gewesen, um das Studiokonto zu füllen, sagt die 32-jährige Entwicklerin.
Finanziert wurde die Entwicklung neben dem Kickstarter-Geld durch eine Unterstützung von Pro Helvetia im Umfang von 60'000 Franken und den Einnahmen aus den bisher veröffentlichten Spielen – «The Wandering Village» ist bereits das dritte Spiel des Studios.
Der Erfolg sei ein «mega Schritt nach vorne»
Der dritte Wurf des Studios ist mit Abstand der erfolgreichste der Zürcher Entwickler. Sie erwarten, dass sie die Gewinnzone noch in diesem Monat oder spätestens im November erreichen werden. Schon jetzt sei «The Wandering Village» deutlich erfolgreicher als die bisherigen Spiele. «Im ersten Monat hat das Spiel alle Einnahmen von unserem zweiten Spiel, das 2018 erschienen ist, erreicht», sagt Philomena Schwab erfreut. «Bis Ende Jahr werden wir auch die Einnahmen von unserem ersten Spiel überholen. Das ist für uns ein mega Schritt nach vorne.»
Dieser bisher grösste Erfolg des 2016 gegründeten Schweizer Entwicklerstudios ist auch das erste komplett im Studio entwickelte Projekt, wie die Co-Gründerin erklärt: «Die Idee dazu gibt es seit 2016, da waren aber bereits zwei Projekte definiert.» Denn der Deal zwischen den beiden Studiogründern Philomena Schwab und Micha Stettler war dieser: Sie gründen das Studio und helfen sich gegenseitig, ihre geplanten Spiele fertigzustellen. Für Philomena war dies ihre Gamedesign-Bachelorarbeit «Niche», für Micha Stettler das Hobbyprojekt «Nimbatus». «The Wandering Village» ist nun das erste Projekt, das vom ganzen Studio gemeinsam konzipiert wurde.
Einzigartiger Stil dank sturem Teammitglied
Als grossen Pluspunkt sieht Philomena Schwab den aussergewöhnlichen Grafikstil, der ursprünglich gar nicht so geplant war: «Eigentlich wollten wir ein 3D-Spiel machen, aber unser Animator wollte unbedingt 2D-Animationen einbauen», erzählt die Entwicklerin.
Klar war jedoch, dass die Kreatur in 3D dargestellt werden soll. Für die Menschen und Gebäude wurde ein sogenannter «Billboard»-Style entwickelt, bei welchem mit verschiedenen 2D-Schichten die Illusion von Dreidimensionalität entsteht. «Unser Grafikstil ist einzigartig», ist Schwab überzeugt. «Ich glaube, es gibt kein anderes Städteaufbauspiel in diesem Stil. Das lockt auch Leute an, die sich sonst nicht für dieses Genre interessieren.»
Zu sehen und zu testen gab es «The Wandering Village» auch an verschiedenen Spielemessen. So waren die Schweizer auch an der grossen deutschen Gamingmesse Gamescom in Köln vertreten und vom 14. bis 16. Oktober am HeroFest in Bern.
Der Erfolg hat aber nichts an den Plänen des 10-köpfigen Studios geändert. «Der Gürtel ist jetzt etwas lockerer geschnallt», erzählt Schwab lachend. «Jetzt gehen wir erst einmal in den Europapark.» Als Belohnung gönnen sich die Entwickler ausserdem eine Lohnerhöhung – zum ersten Mal seit der Studio-Gründung im Jahr 2016.