«Team Jorge»

Israelische Geheimfirma soll gegen Geld weltweit Wahlen manipulieren

15.02.2023, 08:18 Uhr
· Online seit 15.02.2023, 07:58 Uhr
Fake-News-Kampagnen, gehackte Politiker, manipulierte Wahlen – laut einem internationalen Recherchenetzwerk hat eine Firma aus Israel die Politik von Ländern auf der ganzen Welt zu beeinflussen versucht. Das Unternehmen lässt sich anheuern und verlangt für seine Dienstleistung viel Geld.
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Das geheim agierende Unternehmen, das sich selbst nach dem Tarnnamen seines Chefs «Team Jorge» nennt, greife nach eigenen Angaben Politiker mit Hacking-Werkzeugen an und fahre gross angelegte Desinformations- und Lügenkampagnen für seine Auftraggeber. Ziel sei es, den Ausgang von Wahlen und Abstimmungen im Sinne der Kunden zu beeinflussen.

Team Jorge wurde von Journalistinnen und Journalisten verschiedener Medien aufgedeckt, darunter der «Spiegel», der «Guardian» und auch der Schweizer «Tages-Anzeiger». Die Angestellten der Firma, oft frühere Agenten und Militärs, seien für Kunden aus Wirtschaft und Politik tätig, die bereit seien, viel Geld für diese Dienste auszugeben.

In 33 Wahlen und Abstimmungen eingegriffen

Die Firma habe für ihre Kunden bislang in 33 nationale Wahlkämpfe und Abstimmungen eingegriffen, unter anderem in Kenia und Nigeria. In 27 Fällen wollen die Manipulatoren erfolgreich gewesen sein. Es gelang ihnen wohl, den Ausgang der Wahlen im Sinne ihrer Kunden zu gestalten. Die Aktivitäten von Team Jorge seien Teil eines weltweit wachsenden Markts von Desinformations-Dienstleistern.

Die Gruppierung nutze verschiedene Werkzeuge für ihre Beeinflussungskampagnen. Um die Meinung im Netz zu manipulieren, kontrolliere sie etwa eine Armee von mehr als 30'000 Fake-Konten auf Social-Media-Plattformen wie Facebook, Instagram oder Twitter. Ausserdem nutze Team Jorge unter anderem Schwachstellen im globalen Telefonnetz aus, um beispielsweise in private Mail-Konten oder Telegram-Accounts einzudringen.

«Solche Aktivitäten sind eine reale Gefahr für die Demokratie»

Ziel eines solchen Angriffs könne fast jeder Politiker und praktisch jedes Land der Welt sein. Auch die Schweiz könne es treffen, schreibt der Tages-Anzeiger. So tauchten in der Recherche um Wahlmanipulationen eine Schweizer Bank und falsche Social-Media-Profile aus der Schweiz auf.

Inwieweit die Schweiz von den Aktivitäten betroffen ist, sei schwer zu sagen. «Ich kenne den vorliegenden Fall nicht, aber ich würde das sofort glauben», wird IT-Experte Nicolas Mayencourt im Tagi zitiert. «Solche Aktivitäten sind zweifellos eine reale Gefahr für die Demokratie.» Er stelle fest, dass Manipulationen und das Hacken von Politikern oder Wahlen weltweit stark zunähmen. Und die Schweiz sei eindeutig ein Ziel.

Social-Media-Konten gekapert

Nicht alle Angaben des Team Jorge liessen sich vom Recherchenetzwerk überprüfen. Gleichwohl habe sich bestätigen lassen, dass Hacker etwa das private Telegram-Konto eines hochrangigen Wahlkampfmanagers in Kenia infiltriert hatten. Dort lasen sie augenscheinlich alle Nachrichten in Echtzeit und verschickten sogar unbemerkt im Namen des Opfers Botschaften an andere Nutzer.

Bei «Jorge» soll es sich um einen israelischen Geschäftsmann und Ex-Militär namens Tal Hanan handeln. Er steuere die Firma aus einem Bürogebäude in einem Gewerbegebiet am Rande von Modi’in – einer israelischen Kleinstadt nahe dem Flughafen von Tel Aviv. Auch in Griechenland, Bosnien, Indonesien und der Ukraine sei das Team zeitweise präsent. Auf Anfrage habe Hanan jegliches Fehlverhalten zurückgewiesen.

Für Team Jorge gebe es nach eigener Darstellung nur drei Regeln: Die Firma lehne Aktionen in Israel ab, sie wolle sich nicht in die US-Regierungspolitik einmischen und keine Aktionen gegen Russland unternehmen.

(osc)

veröffentlicht: 15. Februar 2023 07:58
aktualisiert: 15. Februar 2023 08:18
Quelle: Today-Zentralredaktion

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