Bern

Gerzensee: Kirchturm wird zur 5G-Antenne – ein Trend?

Projekt in Gerzensee

Eine 5G-Antenne im Kirchturm? Das ist keine Seltenheit mehr

25.03.2024, 07:06 Uhr
· Online seit 25.03.2024, 06:27 Uhr
Die Gemeinde Gerzensee südlich des Belpbergs gilt, salopp gesagt, als Funkloch. Das soll sich ändern. Die Swisscom plant eine neue 5G-Antenne. Diese soll ausgerechnet in der Kirche gebaut werden. Was speziell klingen mag, ist in der Schweiz gar keine Seltenheit mehr.
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Die Kirche in Gerzensee ist ein Wahrzeichen und hat die Geschichte des Dorfs geprägt, wie die Kirchgemeinde auf ihrer Webseite schreibt. Nun soll sie nicht nur Zufluchtsort für Gläubige sein, sondern die Gemeinde mit Handy-Empfang versorgen. Aktuell liegt ein Baugesuch für eine 5G-Antenne im Kirchturm auf der Gemeindeverwaltung in Gerzensee auf.

Die Swisscom habe den Kirchgemeinderat davon überzeugt, dass ein Bau einer solchen Anlage für die Gesundheit unbedenklich sei, sagt Kirchgemeinderat und SVP-Grossrat Ueli Augstburger auf Anfrage von BärnToday und ergänzt: «Nach intensiven Diskussionen haben wir entschieden, dass wir für das Projekt Hand bieten möchten.» Ein wichtiger Punkt: Die Antenne würde im Innern des Kirchturms installiert und wäre von Aussen nicht sichtbar.

Eine 5G-Antenne in einer Kirche? Was im ersten Moment etwas sonderbar klingen mag, ist in der Schweiz mittlerweile gar nicht mehr so unüblich.

80 Mobilfunkantennen in Kirchtürmen

Wie die Swisscom auf Anfrage mitteilt, betreibt sie mittlerweile schweizweit rund 80 Mobilfunkantennen in Kirchtürmen. Und das kommt nicht von ungefähr, wie das Unternehmen weiter schreibt: «Kirchen eignen sich oft hervorragend als Standort für Mobilfunkanlagen, da sie meist zentral gelegen sind, über eine gewisse Höhe verfügen und von dort aus das gewünschte Gebiet optimal versorgt werden kann.» Das gelte laut der Swisscom auch für den Kirchturm in Gerzensee.

Aus praktischer Sicht ist der Kirchturm also prädestiniert als Standort für Antennen. Wie sieht es aus geistlicher Sicht aus? Die reformierte Kirche Bern-Jura-Solothurn schreibt, dass das Thema Mobilfunkantennen hie und da vorkomme, aber noch seltener als die gelegentlichen Diskussionen um den nächtlichen Glockenschlag. Vor einigen Jahren hat die Kantonalkirche in ihrem amtlichen Kreisschreiben eine Art Leitfaden publiziert, wie die Kirche schreibt. Dieser biete Vorschläge, wie die lokalen Kirchgemeinderäte mit dem Bau von Antennen auf ihren Kirchen umgehen könnten, beziehungsweise welche Dinge beachtet werden sollten. Allerdings sei dieses Schreiben kein Gesetz, sondern eher eine Hilfestellung.

Das Thema Mobilfunkantennen sei vor allem ein lokales Thema, welches die örtlichen Kirchgemeinden und die zuständige Baubehörde betreffen. Logischerweise seien die Meinungen zum Mobilfunk, insbesondere 5G, auch unter Kirchenmitgliedern geteilt, schreibt die Kantonalkirche weiter.

Anzeige gegen 127 Berner Gemeinden

Das Thema 5G ist in der Schweiz ein Politikum. Das zeigte zuletzt eine Anzeige gegen 127 Gemeinden im Kanton Bern, die von Gegnern der neuen Technologie eingereicht wurde. Sie warnen seit längerem vor Strahlenbelastungen durch Mobilfunkantennen und sagen, dass die Aufrüstung vieler Antennen nicht gesetzeskonform abliefen. Sie stützen sich bei den Anzeigen auf ein Urteil des bernischen Verwaltungsgerichts zu einer 5G-Antenne auf der Landi in Büren an der Aare. Dieses besage, dass die Sendeleistungserhöhung bei einer sogenannten adaptiven Antenne ein Baugesuch brauche.

Im Visier haben die Gegner in diesem Beispiel die Antennen, die nicht neu gebaut, sondern aufgerüstet wurden. Denn die Aufrüstung geschah oftmals ohne Baugesuch, gegen welches die 5G-Gegner hätten Einsprache einreichen können. Die Frage, ob diese Abkürzung der Mobilfunkanbieter legal war oder nicht, könnte früher oder später das Bundesgericht beschäftigen.

Wenn es zu einer öffentlichen Auflage kommt, drohen Swisscom, Salt, Sunrise und Co. wegen Einsprachen oftmals ein längeres Verfahren. Dieses Szenario droht auch in Gerzensee. Für die neue 5G-Antenne im Kirchturm läuft aktuell die öffentliche Auflage. Die Frist für Einsprachen endet am 19. April.

Über 80 Prozent empfangen 5G+

Trotz Gegenwehr schreitet der Ausbau von 5G+ in der Schweiz stetig voran. Die Swisscom schreibt auf Anfrage, dass sie per Ende Dezember 2023 bereits 81 Prozent der Schweizer Bevölkerung mit 5G versorge.

Das Ziel sei es, dass diese Zahl bis Ende 2025 auf 90 Prozent ausgebaut werden könne. Während die Datennutzung stetig steige, seien branchenweit rund 3000 Mobilfunkprojekte, einschliesslich neue Anlagen oder Änderungen, in einem Bewilligungsverfahren hängig.

veröffentlicht: 25. März 2024 06:27
aktualisiert: 25. März 2024 07:06
Quelle: BärnToday

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