Bern

Unisex-Toiletten sind in Bern auf dem Vormarsch

Stilles Örtchen

Geschlechtsneutrale WC-Beschriftungen sind in Bern auf dem Vormarsch

05.04.2024, 18:21 Uhr
· Online seit 05.04.2024, 18:01 Uhr
Seit 2022 dürfen Gastgewerbebetriebe unabhängig von ihrer Grösse Unisex-Toiletten anbieten. In der Stadt Bern werden die traditionellen Frau- und Mann-Strichfiguren immer häufiger mit geschlechtsneutralen Infrastruktur-Symbolen ersetzt oder ergänzt.
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Wer sich an einem sonnigen Freitagabend nach Feierabend durch die Stadt Bern bewegt und hie und da ein Getränk konsumiert, ist früher oder später auf eine Toilette angewiesen. Beim Gang ans stille Örtchen trifft man in Bern immer häufiger genderneutrale WC-Beschriftungen an.  Zusätzlich oder anstatt den herkömmlichen Frau- und Mann-Figuren werden Symbole der Infrastruktur auf die WC-Türen gemalt. So gesehen in bekannten Berner Lokalen Progr, Kapitel oder im Kaffee Adrianos.

Bar und Klubkommission begrüsst Entwicklung

Erlaubt ist das für grössere Gastrobetriebe im Kanton Bern erst seit 2022. Damals änderte die Kantonsregierung einen Punkt in der Bauverordnung, der Betrieben mit mehr als 50 Sitzplätzen zwingend vorgab, dass nach Geschlechtern getrennte Toiletten vorhanden sein müssen.

Seit November 2022 dürfen in der Stadt Bern WCs geschlechtsneutral beschriftet werden. Seither haben etliche Bars und Clubs ihre Beschriftungen angepasst. Die Geschäftsführerin der Bar und Club Kommission Bern (BuCK), Corina Liebi, begrüsst diese Entwicklung. Allerdings betont sie, dass die Kommission diesbezüglich keine Vorgaben macht: «Es ist ein Entscheid von jedem einzelnen Betrieb, wie er seine Toiletten anschreibt.» Wie viele Clubs und Bars konkret auf genderneutrale Beschriftungen setzten, werde nicht erhoben.

Stadtverwaltung mit Empfehlungen

Die Art und Weise der WC-Beschriftung ist nicht nur in der Gastronomie ein Thema, sondern ebenfalls in der Stadtverwaltung. Im vergangenen Jahr haben die Behörden ein Merkblatt herausgegeben, wo es unter anderem um die Einführung geschlechtergemischte WCs geht. Etliche Punkte davon seien bereits an verschiedenen Schulen oder in Schwimmhallen umgesetzt. Beim Merkblatt gehe es um Empfehlungen, wie Marianne Kauer betont. Sie ist stellvertretende Leiterin der Fachstelle für die Gleichstellung von Frau und Mann in der Stadt Bern.

«Wir wollen davon wegkommen, bereits an der Tür zu sagen, dass ein WC für Männer oder für Frauen ist, und uns mehr an den Bedürfnissen orientieren», sagt Kauer. Es gebe mehr Kriterien als nur, ob man eine Frau oder ein Mann sei, etwa ob man eine geschlossene Kabine für mehr Privatsphäre braucht, eine grössere Kabine, um Kinder mitzunehmen, oder ob man mobilitätseingeschränkt sei.

«Neben dieser breiteren Bedürfnisorientierung wollen wir eine ökonomischere und teilweise flexiblere Nutzung ermöglichen», sagt Kauer. Als Beispiel nennt sie eine Turnhalle, in welcher manchmal auch reine Frauenteams spielen. «Hier ist es sinnvoller, wenn an der Tür «WC» oder «Pissoir» angeschrieben ist, als für Frauen oder Männer.» Im Merkblatt der Stadt wird explizit erwähnt, dass nicht alle WC Anlagen zu Universal-Bereichen umfunktioniert werden sollen.

Rückzugsraum für Frauen soll bleiben

Für die Expertin der städtischen Fachstelle ist klar: Solche Bereiche sollen «zusätzlich zu» den geschlechtergetrennten  WC-Bereichen und nicht «anstelle von» eingeführt werden. In Schulhäusern solle man etwa nicht alle WC-Anlagen geschlechterdurchmischt machen, wie Marianne Kauer erklärt: «Es gibt viele junge Frauen, die froh sind, um den Rückzugsraum und unter sich zu sein und sich vielleicht auch dort zu schminken oder Gespräche zu führen.» Auch erwachsene Frauen seien teilweise froh, wenn sie in einen geschlechtertrennten Bereich kommen können.

«Es hat auch mit Hygiene zu tun, etwa wenn die Kabinen von Männern gebraucht werden, die beim Pinkeln nicht absitzen. Man weiss aber, dass Männer Kabinen in gemischten Bereichen sauberer hinterlassen, wenn sie nicht wissen, ob vor der Tür vielleicht eine Frau oder ein anderer Mann wartet.»

Wer sich wo sicherer fühlt, könne aber nicht allgemein beantwortet werden. «Die Sicherheitsfrage ist abhängig von der Person, die es betrifft. Und die Bedürfnisse sind auch unterschiedlich, abhängig von der Person», so Kauer.

«Es geht hier nicht darum, für ein paar Prozent trans Personen eine dritte Kategorie von WCs zu schaffen, die dann nur von diesen benützt werden darf.» Sondern es geht darum, dass alle Personen ein WC finden, das für sie und ihre Bedürfnisse passt.

veröffentlicht: 5. April 2024 18:01
aktualisiert: 5. April 2024 18:21
Quelle: BärnToday

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