Davoser Bergstation

Keine Sportgeräte an Juden vermietet – Pächter wehrt sich gegen Antisemitismus-Vorwurf

12.02.2024, 20:00 Uhr
· Online seit 12.02.2024, 10:59 Uhr
Aufgrund verschiedener «ärgerlicher Vorfälle» vermietete die Davoser Bergstation Pischa keine Wintersportgeräte mehr an die «jüdischen Brüder». Mit einem hebräischen Text wurde beim Eingang darauf aufmerksam gemacht. Mittlerweile hat sich der Betreiber entschuldigt – der Aushang sei «sicherlich falsch formuliert» gewesen. Gegen den Antisemitismus-Vorwurf wehrt er sich hingegen.
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Wegen negativer Erfahrungen – «darunter der Diebstahl eines Schlittens» – vermietet die Bergstation Pischa jüdischen Gästen keine Sportgeräte wie Schlitten, Airboards, Skis oder Schneeschuhe mehr. Darüber informiert die Bergstation per Schreiben am Eingang.

Ein User veröffentlichte das Schreiben auf «X»:

«Ich bin sprachlos! Ist das echt?», schreibt etwa eine X-Userin als Antwort. Jemand anderes schreibt: «Zurück in den 1930er Jahren? Unglaubliche Diskriminierung». Viele können nicht nachvollziehen, dass es so etwas im Jahr 2024 gibt.

«Wegen Religion diskriminiert»

Gegenüber «20 Minuten» berichtet ein 21-Jähriger von seinem Erlebnis vor Ort. Er wollte mit seien Geschwistern im Schneesportgebiet Pischa bei einem Anbieter Airboards mieten. Beim Schalter sei der jüdisch-orthodoxen Familie das Schreiben aufgefallen.

«Ich tat so, als ob ich kein Hebräisch lesen kann und fragte nach, ob wir die Airboards mieten können. Nachdem die Frau beim Manager nachfragte, verneinte sie die Anfrage», sagt der 21-Jährige gegenüber «20 Minuten». Dies mache ihn «tieftraurig»: «Wir wurden aktiv wegen unserer Religion diskriminiert.»

Das Bergrestaurant Pischa nahm zuerst gegenüber «20 Minuten» Stellung zu den Vorwürfen: «Wir wollen den täglichen Ärger nicht mehr und machen darum von unserem Recht Gebrauch, zu entscheiden, wer unser Eigentum mieten kann und wer nicht.» Sie würden regelmässig die Erfahrung machen, dass jüdische Gäste Schlitten und andere Geräte auf der Piste stehen liessen.

Weiter betonte das Restaurant, dass sich «die Gäste den Schweizer Regeln und Gepflogenheiten anpassen sollten». Dass man nichts mehr vermieten will, habe nichts mit Glauben, Hautfarbe oder persönlichen Neigungen zu tun. Man habe einfach keine Lust mehr auf die täglichen Diskussionen und Reibereien.

Pischa-Geschäftsführer entschuldigt sich

Gegenüber dem «Blick» hat am Montagnachmittag nun auch Ruedi Pfiffner, Geschäftsführer des Restaurants auf Pischa, ausführlich Stellung zum besagten Aushang genommen – und sich dafür entschuldigt. «Das war sicher unglücklich geschrieben und falsch formuliert. Dafür entschuldige ich mich.»

Pfiffner erläutert, wie es zum Aufhängen des Zettels kam. «An diesem Tag ging alles schief. Eine jüdische Gruppe, junge Menschen, hat die Terrasse des Restaurants blockiert ohne zu konsumieren. Andere Gäste haben reklamiert. Und auch bei der Schlittenvermietung kam es zu Problemen. Teilweise wurden Schlitten einfach auf der Piste stehengelassen», so Pfiffner, der angibt, an jenem Tag nicht vor Ort gewesen zu sein. In der Hitze des Gefechts habe das eine zum anderen geführt und der Aushang sei von den Mitarbeitenden platziert worden. 

Der Restaurantbetreiber wehrt sich indes gegen den Antisemitismus-Vorwurf: «Das hat absolut nichts mit Antisemitismus zu tun. Wir gehen mit allen Gästen genau gleich um, egal welcher Nationalität oder Religion sie angehören.» Wenn der Eindruck entstehe, dass sich die Gäste in keiner Weise an die hiesigen Gepflogenheiten halten oder es aufgrund des Verhaltens bei Aktivitäten wie Schlitteln gar gefährlich werden könnte, würde man die Vermietung der entsprechenden Geräte verweigern, so Pfiffner.

Er betont auch, dass es durchaus auch jüdische Gäste gebe, die sich zu benehmen wüssten. «Wir haben auch schon sehr viele schöne Erfahrungen mit jüdischen Gästen gemacht und diese sind natürlich auch weiterhin herzlich willkommen.»

«Diskriminierend und antisemitisch»

Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) zeigte sich in einer ersten Reaktion schockiert. «Dass so ein Schreiben auf einem Schweizer Berg öffentlich aufgehängt wird, ist erschreckend. Der Inhalt ist höchst diskriminierend und antisemitisch», sagte Generalsekretär Jonathan Kreutner gegenüber «20 Minuten». Er betonte, dass man nicht wegen vereinzelter schlechter Erfahrungen pauschalisieren sollte.

Der SIG will nun rechtlich gegen den Aushang vorgehen: «Wir werden eine Anzeige nach Verstoss gegen Rassismusstrafnorm einreichen», sagte Generalsekretär Kreutner auf Anfrage von CH Media.

Am Montag bestätigte auch die Kantonspolizei Graubünden, dass sie entsprechende Ermittlungen aufgenommen hat: «Da es sich um ein Offizialdelikt handelt, hat die Kantonspolizei Graubünden die Ermittlungen betreffende Diskriminierung und Aufruf zu Hass aufgenommen», sagt sie gegenüber «20 Minuten».

Der hebräische Text hängt mittlerweile nicht mehr aus im Bergrestaurant Pischa. Stattdessen weisen die Betreiber mit einer auf Deutsch geschriebenen Notiz daraufhin, dass man Schlitten, Airboards und Skibockerl nur verleihen würde, wenn die Gäste mit entsprechender Ausrüstung wie wintertauglicher Kleidung auftauchen würden.

(cs)

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veröffentlicht: 12. Februar 2024 10:59
aktualisiert: 12. Februar 2024 20:00
Quelle: FM1Today

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