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«Chabisland» Gürbetal: Sauerkraut-Genossenschaft wird Immobilien AG

Berner Tradition

«Chabisland» Gürbetal: Sauerkraut-Genossenschaft wird Immobilien AG

· Online seit 11.03.2024, 05:45 Uhr
Im Gürbetal bauen immer weniger Betriebe Kabis an. Auch in der Sauerkraut-Fabrik in Mühlethurnen gärt das Gemüse schon mehrere Jahre nicht mehr. Die Genossenschaft, die im Besitz der Fabrik ist, plant nun ihre Umwandlung in eine Aktiengesellschaft.
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Er gehört zum Gürbetal und gab diesem auch seinen Übernamen «Chabisland»: Der Kabis und mit ihm auch die Sauerkrautfabrik Thurnen Genossenschaft. Die Zeiten ändern sich aber. Nur etwa sechs Betriebe pflanzen das Gemüse heute noch an.

Es wird grösstenteils zu Sauerkraut verarbeitet – heute vorwiegend im Fabrikgebäude der Firma Schöni in Oberbipp, früher vor Ort im «Chabisland», in den inzwischen stillgelegten Fabriken in Lohnsdorf, Burgistein, Uetendorf, Toffen oder Rümligen. Die Verarbeitung der weiss-grünen Kabisköpfe zu Sauerkraut wurde in der Fabrik in Mühlethurnen im Jahr 2021 eingestellt.

Wohnungen statt Sauerkraut

Ihren Zweck erfüllt die Sauerkrautfabrik Thurnen Genossenschaft seither nicht mehr. Den Zielen in den Statuten von 1946, wie der «Förderung des Anbaus und die bestmögliche Verwertung von Kabis» wird sie heute nicht mehr gerecht. «Die Statuten sind so einfach nicht mehr richtig», sagt Dany Scheidegger. Er ist Vorstandsmitglied der Genossenschaft.

Diese wird deshalb per 30. Juni 2024 in eine Immobilien-Aktiengesellschaft umgewandelt. Denn die Genossenschaft ist noch immer im Besitz der Sauerkrautfabrik in Mühlethurnen. Was mit dieser geschieht, werde nun geprüft, sagt Dany Scheidegger. Aktuell befinde sich das Gebäude in einer Arbeitszone, eingemietet seien Gewerbler, welche die Räume der Fabrik als Lager nutzen.

Es wird geprüft, ob das Fabrikareal umgezont werden kann. Längerfristig könnten dort, wo früher Sauerkraut in grossen Kesseln gedieh, auch Wohnungen entstehen. Dies hänge von Abklärungen ab, sagt Dany Scheidegger.

Aufwändiger Anbau

Gut 100 Jahre nachdem die Genossenschaft gegründet wurde, hat sich der Stellenwert des Kabis im Gürbetal verändert. «Früher wurde der Kabis angepflanzt, weil Bauern versucht haben, ihr Einkommen damit zu verbessern», sagt Dany Scheidegger. Heute müssten sich diese spezialisieren. Damit die Produktion rentiere, brauche es grössere Menge.

Für den Anbau des Kabis brauche es zudem mehrere Leute. Früher hätten auch Frauen und die ältere Generation beim Anbau mitgeholfen, heute aber sei auf vielen Landwirtschaftsbetrieben nur noch eine Person tätig. Anders sei dies in typischen Gemüseanbau-Gebieten wie im Seeland – dort würden auch Temporär- und Fest-Angestellte arbeiten.

Dass die Ära des «Chabisland» Gürbetal mit der Auflösung der Genossenschaft nun beendet ist, verneint Dany Scheidegger aber. Noch werde nach wie vor Kabis angebaut. Die Anzahl Produzenten habe in der Vergangenheit abgenommen, die angebaute Menge sei durch die unverändert grosse Fläche an Kabisfeldern aber lange gleichgeblieben. Erst in den letzten Jahren sei auch diese rückläufig geworden. Während 2020 noch rund 17 Betriebe Kabis anbauten, sind heute nur noch rund sechs im Geschäft tätig.

Zu diesen gehört auch Dany Scheidegger. Jahr für Jahr erntet er noch Kabisköpfe und liefert diese in den Verarbeitungsbetrieb nach Oberbipp. Der Kabis-Anbau passe zu den Strukturen seines Betriebs – so könne er als Alternative beispielsweise nur mit relativ grossem Aufwand seine Milchviehherde vergrössern. Letztendlich müsse das Kabis-Geschäft aber rentieren.

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Verlorengegangener Standortvorteil

Dass nun definitiv kein Sauerkraut mehr in der Fabrik in Mühlethurnen produziert wird, zeichne das Ende einer Ära, sagt hingegen Urs Haslebacher. Er ist Gemeindepräsident von Thurnen, ehemaliger Kabis-Produzent und Mitorganisator der Bauernproteste, die auch den Kanton Bern erreicht haben.

Der Untergang des Chabislands sei stetig verlaufen und überrasche ihn nicht. Vor 100 Jahren habe das Gürbetal von seinen Moosböden profitiert. Diese enthalten viel Stickstoff, die der Kabis zum Wachsen benötigt. Dank des Kunstdüngers kann der Kabis heute auch auf sandigen Böden gedeihen. Der Standortvorteil des Gürbetals ging damit verloren.

Die hiesigen Preise hätten sich negativ entwickelt. Um die Herstellungskosten decken zu können, müsste der Kabis im Laden doppelt so teuer sein. Das Kraut ist dort allerdings beliebt – wegen seiner vielen Vitamine und Milchsäurebakterien.

veröffentlicht: 11. März 2024 05:45
aktualisiert: 11. März 2024 05:45
Quelle: BärnToday

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