Bern

Goethes Faust als Kurzfilm – vor den «beklemmenden» Wohnblöcken Bern-Bethlehems

Junges Filmteam

Goethes Faust als Kurzfilm – vor den «beklemmenden» Wohnblöcken Bern-Bethlehems

· Online seit 17.12.2022, 12:14 Uhr
Ein junges Schweizer Filmteam arbeitet an einer Neuinterpretation von Goethes Faust. Die Filmcrew aus Zürich hat in den Wohnblock-Quartieren der Stadt Bern die geeignete Kulisse für ihr Werk gefunden, wie Filmemacher Florian Herzog im Interview erklärt.

Quelle: BärnToday / Warner Nattiel

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Sie interpretieren Goethes Faust neu, als Film. Worum geht es genau in Ihrem Projekt?

Florian Herzog: Wir haben die Basiselemente des Originals genommen, sie angepasst und in die moderne Zeit gebracht. Bei uns geht es nicht um einen Gelehrten, sondern um einen Menschen Namens Flynn. Er gehört eher einer unteren gesellschaftlichen Schicht und hat mit Geldproblemen zu kämpfen. Dies ist auch dem Umstand geschuldet, dass er der Erwachsene in seiner Familie ist, da seine Mutter todeskrank ist und er für sie sorgen muss. Durch die Umstände selbst rutscht er nach und nach ab. Hier entfaltet sich unser Charakter: Er hat von Anfang an eine Mentalität, um sich in illegalen Geschäften zu behaupten.

Das wiederum weckt das Interesse eines mysteriösen Mannes. Wer das Original kennt, weiss sofort, wer der mysteriöse Mann ist. Bei uns lassen wir es eigentlich bis zum Schluss offen, dass es sich wirklich um Mephisto, also den Teufel, handelt.

Warum haben Sie sich gerade für Goethes Faust entschieden?

Ich habe selbst von Faust in der Berufsschule zum ersten Mal gehört. Damals hiess es, man müsse ein literarisches Werk auswählen aus einer bestimmten Epoche. Da stand Faust zur Auswahl. Wir haben eine kurze Beschreibung zu den einzelnen Büchern erhalten und da hat mich Faust direkt am meisten angesprochen. Als ich es gelesen habe, habe ich gefunden, dass das, was Goethe damals behandelt, gar nicht so weit entfernt ist, von dem, was wir auch heute in unserer Gesellschaft erleben.

So hat sich der Gedanken entfaltet: «Was wäre, wenn man die alte Geschichte aus dem 15./16. Jahrhundert nimmt und sie zu uns in die heutige Zeit reinbringt?» Einige Anpassungen mussten natürlich noch gemacht werden, da nicht mehr alles zeitgemäss war.

Ein grosser Teil des Films ist in Bern gedreht. Sie selbst kommen aus Zürich. Warum haben Sie sich für Bern entschieden?

Das hat damit angefangen, dass ich vor einigen Jahren an der BEA in Bern gearbeitet habe. Während dieser Zeit hatte ich ein Airbnb in Bethlehem. Schon damals habe ich gedacht, dass es eine beeindruckende Kulisse an Wohnblöcken ist, die man in Zürich so gar nicht kennt. Damals hatte ich mit Film allerdings noch nichts am Hut.

Als es dann tatsächlich darum gegangen ist, dass wir für unseren Film einen Ort brauchten, der wirklich dieses Beklemmende oder Beeindruckende bietet, das zentral war für unseren Film, da ist mir sofort Bethlehem wieder in den Sinn gekommen. Dort sind wir mit Einwohner in Kontakt gekommen, die uns weitergebracht haben nach Bümpliz und uns das Kleefeld-Quartier nahegelegt haben. Dort hat uns dann jemand wiederum von Wittigkofen erzählt. So haben wir immer mehr Orte in Bern gefunden, die wir kombinieren konnten.

Der Film ist abgedreht, aktuell läuft aber noch ein Crowdfunding, um die Postproduction zu finanzieren. Was haben Sie mit dem fertigen Film vor?

Bevor wir den Film öffentlich irgendwo zugänglich machen, wollen wir unser Glück an den Festivals versuchen. Es steht natürlich noch in den Sternen, wie der Film an den Festivals laufen wird, das können wir nicht voraussagen. Es ist aber sicher der Plan, dass wir so unseren Film unter die Leute bringen und einem grösseren Publikum zeigen, bevor wir ihn wahrscheinlich dann auf Vimeo oder Youtube veröffentlichen. Das ist aber noch ungewiss. Sollte sich ein Streamingservice dafür interessieren, kann sich unser Plan natürlich noch ändern.

Sind Festivals der Grund, warum der Film auf Englisch gedreht wurde?

In erster Linie geht es dabei um persönliche Präferenz. Ich selbst mag Filme auf Schweizerdeutsch nicht unbedingt. Es ist zwar meine Muttersprache, aber ich höre es dennoch nicht sehr gerne. Privat schaue ich Filme eigentlich nur auf Englisch und deshalb war es schnell klar, dass ich diesen Film auch auf Englisch machen würde. Natürlich ist auch ein Vorteil, dass man so ein viel grösseres Publikum erreicht. Das hat sicher auch zu dieser Entscheidung geführt.

veröffentlicht: 17. Dezember 2022 12:14
aktualisiert: 17. Dezember 2022 12:14
Quelle: BärnToday

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