Zwangsheiraten in Bern

Haus der Religionen reagiert auf Skandal: «Wir sind fassungslos»

16.11.2022, 19:08 Uhr
· Online seit 15.11.2022, 18:40 Uhr
Recherchen von SRF zeigen, dass im Haus der Religionen in Bern Zwangsheiraten stattgefunden haben sollen. Der Verein, der hinter dem Haus der Religionen steht, ist fassungslos und prüft nun eine Anzeige.

Quelle: BärnToday / Warner Nattiel

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Ein Imam hat in der Moschee des Hauses der Religionen in Bern Zwangsheiraten durchgeführt. Der Verein des interreligiösen Hauses verurteilt dies in aller Schärfe. Karin Mykytjuk, Geschäftsleiterin des Hauses der Religionen, sagt: «Wir sind fassungslos, dass das passiert sein soll.» Mykytjuk betont aber: «Auf der anderen Seite begrüsse ich, dass das Thema in der Gesellschaft zum Thema gemacht wird.»

Nach ersten Erkenntnissen habe der Imam der Moschee nicht in allen Fällen geprüft, ob die Grundlagen für eine religiöse Eheschliessung erfüllt seien, heisst es in einer Mitteilung des Hauses der Religionen. Er habe damit das Primat der Zivilehe verletzt. Der Verein verurteile diese widerrechtliche Praxis. Es seien ihm aber keine Fälle bekannt, in denen ein Zwangskontext bestanden habe.

Ein Dutzend Fälle

Die Fälle publik machte das Schweizer Radio und Fernsehen SRF am Dienstagabend. Laut seinen Recherchen soll es sich um ein Dutzend Fälle handeln, wie es in der Sendung «Echo der Zeit» hiess.

Auch Amnesty International bezieht klar Stellung zu den Vorfällen.  «Es ist skandalös, wenn so etwas passiert. Es macht einem wahnsinnig betroffen und traurig, dass so etwas in Bern möglich ist», so Beat Gerber, Mediensprecher der NGO. Es sei unbedingt nötig, dass solches verfolgt und unterbunden werde.

«Moschee ist missbraucht worden»

Der Leiter des Muslimischen Vereins Bern, Mustafa Memeti, zeigte sich fassungslos. Die Moschee sei missbraucht worden, sagt er. Aus dem vorliegenden Fall lasse sich schliessen, dass der Muslimische Verein im Haus der Religionen nicht genügend über die gesetzlichen Grundlagen im Bilde sei, schreibt der Verein Haus der Religionen.

Der Verein distanziert sich von jeglicher Form von Zwangsverheiratungen. «Eine Zwangsehe basiert auf veralteten patriarchalen Haltungen, die in Widerspruch zu unserer Grundhaltung im Haus der Religionen stehen», heisst es in der Mitteilung. Die Thematik werde im Vorstand ausführlich diskutiert werden, und es werde geklärt, welche Massnahmen notwendig seien, «damit solche Praktiken nicht vorkommen».

Schlecht informiert über Gesetze

Aus den Zwangsheiraten lasse sich schliessen, dass sogar der Muslimische Verein im Haus der Religionen nicht gut genug über die gesetzlichen Grundlagen im Bild sei, heisst es in der Mitteilung weiter.

Der Verein des interreligiösen Hauses vermietet die Religionsräume nach eigenen Angaben an fünf Religionsgemeinschaften, die eigenständige Vereine sind und entsprechend Miete bezahlen. Die Religionsgemeinschaften betreiben ihre Räume demnach in eigener Verantwortung und auf eigene Kosten.

(sda/pfl)

veröffentlicht: 15. November 2022 18:40
aktualisiert: 16. November 2022 19:08
Quelle: BärnToday

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