Buskers-Leiterin:

«Ich habe schon Bands mit Videos von der Aare angelockt»

· Online seit 09.08.2022, 08:59 Uhr
Im August spielen Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt in den Gassen Berns. Die Leiterin des Festivals erzählt von französischen Bands, die besondere Betreuung brauchen und indischen Künstlern mit speziellen Essenswünschen.
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Vom 11. bis zum 13. August erklingen in der Berner Innenstadt endlich wieder die Töne von Buskers Bern. Nach der Zwangspause wegen Corona hat das Festival dieses Jahr wieder ein international bestücktes Line-Up.

Im Gespräch erklärt Christine Wyss, Leiterin von Buskers Bern, wie man internationale Acts nach Bern bringt.

Am Buskers Bern spielen Künstlerinnen und Künstler aus der ganzen Welt. Wie gewinnt man solche Acts für ein Festival in Bern?

Wichtig ist sicher unser Netzwerk, das wir in den letzten 19 Jahren aufgebaut haben. Wir kennen mittlerweile viele Bands und Agenturen persönlich. Ausserdem geniessen wir einen sehr guten Ruf in der Szene: Es spricht sich herum, wie toll Buskers Bern ist. Wir haben hunderte von Bewerbungen aus der ganzen Welt, den meisten davon müssen wir absagen.

Weiter gilt die Stadt Bern als äusserst beliebter Veranstaltungsort. Einerseits haben Bernerinnen und Berner und unsere Festivalbesuchenden in der internationalen Strassenmusik-Szene den Ruf, sehr offen zu sein gegenüber neuer Musik, andererseits gelten sie auch als grosszügig, aufmerksam und interessiert. Auch die Aare spielt eine wichtige Rolle: Ich habe schon einige Acts mit Videos von badenden Personen für das Buskers gewonnen.

Das Buskers profitiert also von der Attraktivität Berns. Wie profitiert die Stadt Bern von Buskers Bern?

Wir werden international vermarktet und das Publikum kommt von überall her. Die Hotels sind während des Buskers Bern meist ausgebucht und es sind viele Leute in der Stadt unterwegs. Die Bühnen sind auf die ganze untere Altstadt verteilt, neu sogar noch vor der Nydeggkirche. Das ist für die Tourismusbranche sehr interessant.

Wie wichtig ist dieser internationale Charakter des Buskers-Festivals?

Die Internationalität ist zentral. Es ist unser Anliegen, den Menschen Kultur aus der ganzen Welt näher zu bringen. Die Leute sollen Neues entdecken und auch Acts erleben, die sie sonst nie im Leben hören oder sehen würden.

Als Beispiel: Vor einigen Jahren hatten wir eine Punkband im Programm, die gleich nach dem Buskers auch in der Reitschule gespielt hat. Nach dem Konzert bei uns kam ein 70-jähriger Mann auf mich zu und erzählte mir, dass dieser Auftritt für ihn etwas vom Besten gewesen sei, das er in seinem Leben gehört habe. Er kannte die Band vorher nicht und hätte kein Ticket für das Konzert in der Reitschule gekauft, durch das Buskers konnte er die Band ungezwungen kennenlernen.

Gibt es dennoch Grenzen bei der Wahl der Acts?

Wir buchen grundsätzlich keine Acts, die nur für das Buskers aus einem anderen Kontinent nach Europa kommen müssten. Ausserdem beteiligen wir uns nicht daran, wenn Acts ein Visum brauchen: Das müssen sie oder ihre Agenturen selbst organisieren. Leider wurde es durch den Brexit auch viel schwieriger, Acts aus Grossbritannien zu buchen. Das hat uns ziemlich hart getroffen, weil dort insbesondere die Musikszene ausserordentlich gross und spannend ist.

Gibt es Unterschiede zwischen Acts aus verschiedenen Ländern?

Es sind eher persönliche Unterschiede. Dennoch gibt es einige Eigenheiten, die viele Acts aus demselben Land gemeinsam haben. Französische Acts haben beispielsweise meistens eine Agentur, die wir kontaktieren müssen. Da sitzt dann eine Person im Büro, die kein Mitglied der Gruppe ist und bespricht den Auftritt mit uns. Am Buskers selbst haben dann die Artists aber keine Ahnung, was besprochen wurde, weil die Infos oft nicht weitergegeben werden.

Auch viele Künstler und Künstlerinnen aus Italien haben gemeinsam, dass sie äusserst nett und offen sind, gleichzeitig aber organisatorisch grosse Mühe haben. Sie lesen teilweise die Infos nicht, die wir ihnen vor dem Festival senden und verstehen nicht, dass am Buskers, wo alles genau durchgetaktet ist, «nur fünf Minuten zu spät» nicht pünktlich genug ist.

Auch auf das Wetter reagieren Acts aus verschiedenen Regionen unterschiedlich: Einmal habe ich eine Band aus Italien kurz nach dem vermeintlichen Konzertbeginn im Instrumentendepot angetroffen. Auf meine Frage, warum sie nicht auf der Bühne seien, antworteten sie, dass es regne und deshalb wahrscheinlich sowieso kein Publikum kommen würde. Dabei warteten 30 Personen auf den Auftritt. Acts aus nördlicheren Ländern reagieren normalerweise gelassener auf das Wetter. Wir haben mit der Zeit gelernt, dass wir flexibel bleiben müssen.

Kommt es dennoch auch zu schwierigen Situationen?

Teilweise schon. Wir hatten einmal im selben Jahr zwei Bands aus Indien am Festival. Die Mitglieder einer Band gehörten einer hohen Kaste an, jene der anderen Band einer sehr tiefen Kaste. Dies führte dazu, dass sich die Mitglieder der verschiedenen Bands nicht einmal in die Augen geschaut haben, wenn sie sich über den Weg gelaufen sind. Als ein Mitglied der Band, die der tieferen Kaste angehörte und kein Englisch konnte, einen medizinischen Notfall hatte, musste ich ein Mitglied der anderen Band beinahe zwingen, uns bei der Verständigung mit dem Verletzten zu helfen.

Auch beim Essen ist es nicht immer einfach. Es gibt jedes Jahr mehr Artists mit speziellen Wünschen und Unverträglichkeiten. Wir haben einen Sternenkoch, der für die Acts kocht und es gibt auch einen grossen Brunch, der meist sehr geschätzt wird. Dennoch habe ich es einmal erlebt, dass ich einen Künstler aus Indien hungernd vorgefunden habe, weil er nicht an westliches Essen gewöhnt war. Als ich ihn gefragt habe, ob er gerne etwas Dal essen würde, hat er mich mit grossen Augen angeschaut und war begeistert. Also haben wir abgemacht, dass ich jeweils mit der ganzen Band einen indischen Essensstand des Festivals aufsuchen würde.

veröffentlicht: 9. August 2022 08:59
aktualisiert: 9. August 2022 08:59
Quelle: BärnToday

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