Bundesgericht

Passivität der Behörden vereitelt Ausgang für Schenkkreis-Mörder

· Online seit 02.03.2023, 11:58 Uhr
Das Gefängnis Thorberg muss sich unverzüglich darum kümmern, dass einer der dort gefangenen Schenkkreis-Mörder von Grenchen eine Therapie machen kann. Dies hat das Bundesgericht entschieden. Es rügt die zuständigen Vollzugsbehörden bereits das zweite Mal in dieser Sache.
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Vor rund zwei Jahren bewilligte das Solothurner Amt für Justizvollzug erstmals Ausgänge in Doppelbegleitung der Polizei für den Verurteilten. Eine der Auflagen war die Weiterführung der forensischen Therapie. Dies geht aus einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil des Bundesgerichts hervor.

Therapie blieb aus

Eine Therapiemöglichkeit erhielt der Mann jedoch trotz eigener Anfragen nicht. Aus diesem Grund kam es auch zu keinem Ausgang. Im November 2021 wurde der Mann nach Thorberg verlegt. Dort fand Mitte April 2022 lediglich ein Abklärungsgespräch mit einer Psychologin statt, wie das Bundesgericht ausführt.

Dabei hatte das Solothurner Amt für Justizvollzug im Dezember 2021 in einer weiteren Verfügung explizit die Aufnahme und Weiterführung der Therapie zur Bedingung für die begleiteten Ausgänge gemacht. Diese Gesuche für einen Ausgang vom 31. März und 14. April 2022 lehnte die Justizvollzugsanstalt Thorberg wegen der nicht absolvierten Therapie ab.

Dieser Entscheid wurde von den kantonalen Instanzen bestätigt – nicht jedoch vom Bundesgericht. Es hält fest, die Beendigung der Therapie in der Vollzugsanstalt Bostadel ZG Ende 2020 sei nicht dem Beschwerdeführer zuzuschreiben. Dieser wurde danach in das Untersuchungsgefängnis Solothurn und anschliessend in das Gefängnis Thorberg versetzt.

Dringlichkeit missachtet

Der Mann habe nicht gegen seine Pflicht verstossen, im Rahmen des Strafvollzugs an den Sozialisierungsbemühungen und den Entlassungsvorbereitungen aktiv teilzunehmen. Vielmehr seien die Behörden passiv geblieben und hätten dem Gefangenen damit faktisch die Möglichkeit genommen, in den Genuss eines Ausgangs zu kommen, schreibt das Bundesgericht.

Ausgänge stellten nicht nur ein Privileg für Gefangene dar, sondern bildeten auch einen Beitrag zur Wiedereingliederung und Resozialisierung. Eine personelle Unterbesetzung als Begründung für die Untätigkeit der Behörden lässt das Bundesgericht nicht gelten.

Es hält explizit fest, dass die kantonalen Behörden die Dringlichkeit dieses Falles trotz einer bereits im Oktober 2021 festgestellten Rechtsverzögerung weiterhin nicht beachtet hätten.

Der Dreifachmord von Grenchen wurde von einem ehemaligen Spitzensportler und einem ungelernten Koch begangen. Ebenfalls verurteilt wurde die Frau, die laut Gericht die Morde mitgeplant hatte. Die Verurteilten erhofften sich fette Beute bei der Familie, die in Schenkkreise verwickelt war. Sie fanden aber bloss 5000 Franken, 600 Euro, Modeschmuck und vier Uhren.

(sda/fho)

veröffentlicht: 2. März 2023 11:58
aktualisiert: 2. März 2023 11:58
Quelle: BärnToday

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