Digitales Wissen

«Viele wissen nicht, wie E-Banking funktioniert»

· Online seit 30.01.2023, 17:35 Uhr
Ältere Menschen sind mehr und mehr gefordert, im digitalen Bereich am Ball zu bleiben. Gleichzeitig sind zunehmend auch jüngere Leute mit Themen wie Social Media, Datenschutz und Fake News überfordert. Der Thuner Verein «UND Generationentandem» bietet jeden Monat einen Kurs zum Thema «Digitales Wissen» an. Die Projektleiterin erzählt von ihren Erfahrungen.
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Marianne Scheuter hat die Kursreihe vor zwei Jahren gemeinsam mit zwei Biologiestudenten und langjährigen Technikhelfern entwickelt. Die 68-jährige Erwachsenenbildnerin, Psychologin und Case Managerin Berufsbildung moderiert die Kurse, pflegt den Kontakt zu den Kursteilnehmenden und baut die Brücke zwischen den Generationen.

Was sind die häufigsten Probleme bei den Teilnehmenden?

Die Überforderung durch die digitale Sprache und das Tempo. Viele Leute glauben, sie seien zu langsam oder zu dumm, um digital souverän zu werden. Die jüngeren Personen in der Familie sind oft ungeduldig und erklären Dinge nicht professionell, was die Verunsicherung noch verstärkt. Viele haben auch Angst vor «Datenklau», Tracking oder dass die Konten leergeräumt werden und ihre Mediathek missbraucht wird. Die meisten Leute wissen überhaupt nicht, wie sie die Einstellungen ihres Smartphones oder ihres Browsers personalisieren und sich damit schützen können. Viele wissen nicht, wie E-Banking funktioniert, was eine Registrierung auf einer Online-Plattform für Konsequenzen hat, können nicht effizient recherchieren, wissen nichts über die doppelte Authentifizierung oder erkennen «Phishing-Mails» nicht. Die Liste ist sehr lang.

Gibt es auch jüngere Leute, die Ihre Kurse besuchen?

Die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer sind oft «Digital Immigrants», das heisst Leute ab 50 Jahren. Im Rahmen der Digitaltage Schweiz und in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsraum Thun nehmen auch jüngere bis sehr junge Menschen unser Angebot wahr. Junge Menschen haben oft das Gefühl, dass sie sich online sehr gut auskennen. Allerdings ist dies eine gefährliche Selbsttäuschung. Das führt beispielsweise zu schlechter bis selbstschädigender Auftrittskompetenz in den Social Media, fehlendem Wissen über Fake News und wie diese erkannt werden und fehlendem Wissen über die Verbreitung von Viren. An einem digitalen Podium eines Gymnasiums bestätigten 70 von 100 jungen Erwachsenen, dass sie Tiktok nutzen. Sie wissen nicht, dass dies die absolut gefährlichste Plattform ohne jeden Datenschutz ist.

Sind «Scams» (jegliche Formen von Internetbetrug) immer mehr ein Thema?

Die Sicherheit und der Schutz sind in allen Kursen immer wieder ein zentrales Thema. Das Erkennen von Phishing-Mails, das Reduzieren von Tracking, das Wählen von sicheren Passwörtern und das Installieren von Passwortmanagern sind wichtige Themen. Aber auch grundsätzlich das Erkennen von Fake News und das Filtern auf Social Media, um nicht in einer Bubble zu landen.

Was ist mit älteren Menschen, die sich zum Teil gar nicht online bewegen wollen? Geht das überhaupt noch?

Wir haben auch 85-jährige Teilnehmende mit grossem digitalem Interesse. Aber sehr viele Menschen werden einfach abgehängt. Ihnen fehlt die persönliche Unterstützung. Hier bieten wir die individuelle Technikhilfe vor Ort an. Immer mehr sind wir alle gezwungen, digital zu funktionieren. Einerseits um informiert zu bleiben, aber vor allem auch, um Bürgerpflichten zu erledigen. Steuererklärung, zunehmend Abstimmungen, E-Banking. Und wir müssen Twint einrichten, um Tickets zu lösen oder am Bahnhof Luzern aufs WC zu können. Ohne Digitales geht es nicht mehr. Es kann gefährlich sein, sich nicht auszukennen oder keine Hilfe zu haben. Die Menschen verlieren so zunehmend auch die soziale Teilhabe.

Welche Erfahrungen von digital unerfahrenen Leuten sind Ihnen in Erinnerung geblieben?

Ein ganz aktuelles Beispiel: Ich frage einen 16-jährigen Gymnasiasten, der sich digital fit fühlt, wie er sich über das Weltgeschehen informiert. Seine Antwort: «Primär auf Instagram, mit 20 Minuten.» Er habe zu Hause keinen Fernseher und zum Zeitunglesen habe er keine Zeit. Er hat keine Ahnung, woran er Fake News erkennt. Er war sich auch nicht bewusst, dass er so die Welt sehr einseitig wahrnimmt.

Und jetzt zu erwartende Beispiele von älteren Teilnehmenden: Eine Person war davon überzeugt, dass das GPS ihres Autos via Internet manipuliert worden sei und dies jetzt Einfluss auf die gesamte Elektronik ihre Autos habe. Eine andere Person hat so grosse Angst vor Elektrosmog, dass sie ihre Mails nur einmal pro Woche überprüft und relevante Informationen zu spät erhält.

veröffentlicht: 30. Januar 2023 17:35
aktualisiert: 30. Januar 2023 17:35
Quelle: BärnToday

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