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Berner Firma wirbt für kostenlose Hotelübernachtungen – doch es gibt einen Haken

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Berner Firma wirbt für kostenlose Hotelübernachtungen – doch es gibt einen Haken

13.03.2023, 15:03 Uhr
· Online seit 13.03.2023, 11:23 Uhr
«Hast du Lust auf gratis Ferien?», hat ein Vertreter einen BärnToday-Leser auf der Kleinen Schanze gefragt. Dieser verfolgte gespannt seine Ausführung. Im Nachhinein stellte sich allerdings heraus: Dahinter verbirgt sich ein Angebot einer Ostermundiger Firma, das Fragen aufwirft.
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«Das klingt zu gut, um wahr zu sein», dachte sich BärnToday-Leser O.S.* nach einem Gespräch mit einem Agenten von «Greax.ch». Dieser versprach ihm nämlich Folgendes: Mit der Hotel-Jahreskarte von «Greax.ch» könne man «kostenlos» in rund 2000 Hotels übernachten – so viel man eben wolle. Für die Karte werde einzig eine monatliche Gebühr von 29,90 Franken fällig.

Nicht nur das Angebot kommt S.* suspekt vor. Auch die Tatsache, dass sich der Agent zunächst als Marktforscher ausgegeben hatte, ehe er ihm das die Hotel-Jahreskarte schmackhaft machte, kam S.* verdächtig vor.

S.* kam daher der Bitte des Agenten, gleich vor Ort zu unterschreiben, nicht nach. Stattdessen studierte er zu Hause die Webseite von «Greax.ch» im Detail. Dabei wurde sein Verdacht bestätigt: Das verlockende Angebot hat einen entscheidenden Haken.

Übernachtung gratis, doch Verpflegung kostet 

Wer die monatliche Gebühr bezahlt, muss für die Übernachtungen in den teilnehmenden Hotels tatsächlich nichts bezahlen. Allerdings muss die Verpflegung separat bezahlt werden. «Sie bezahlen im Hotel lediglich den Preis für das Frühstück und das Abendessen», heisst es auf der Website. Kundinnen und Kunden müssten mit 11 Franken pro Person und Tag rechnen. BärnToday-Recherchen ergeben allerdings, dass der Preis in vielen Fällen deutlich höher liegt.

In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) wird die Betreiberin der Hotel-Jahreskarte noch konkreter: «Der Kunde ist verpflichtet, bei Buchung des Hotelaufenthaltes die jeweilige Verpflegungspauschale pro Person zu akzeptieren. Die Kosten für die Verpflegungspauschale sind in der Hotel-Jahreskarte nicht beinhaltet und sind verpflichtend gemäss Buchungsbestätigung im Vorfeld zu bezahlen.»

Will heissen: Selbst wer sich nicht im Hotel verköstigen will, hat die Pauschale zu bezahlen.

Auf Anfrage von BärnToday nimmt das Team hinter «Greax.ch» ausführlich Stellung zum Vorfall. Dazu, dass über die verpflichtende Verpflegungspauschale vor Ort nicht informiert wurde, stellt das Team klar: «Die Promotions-Agenten wurden über das Produkt im Vorfeld intensiv geschult. Das dies nicht vor Ort kommuniziert wurde, geht natürlich nicht!»

Hintergrund: Damit die AGB beim Abschliessen eines Vertrages überhaupt gültig sind, muss die Kundin oder der Kunde vor Vertragsabschluss mündlich oder schriftlich auf sie hingewiesen werden. Der Jurist Lucien Jucker von der Stiftung für Konsumentenschutz rät zudem, den AGB-Punkt visuell hervorzuheben, sodass dieser seine Gültigkeit behält und nicht untergeht.

Dass sich der Agent auf der Kleinen Schanze zunächst eine Umfrage zum Thema «Ferien» durchführte, hat gemäss «Greax.ch» seinen Grund. «Um die einzelnen Kundengespräche auswerten zu könnten, wollten wir das über eine Umfrage machen. Das Ziel war, die Bedürfnisse der verschiedenen Kundengruppen noch besser kennenzulernen.» Zusätzlich zur Umfrage wollte man die Gelegenheit nutzen, um auf das Angebot der Hotel-Jahreskarte aufmerksam zu machen.

«Greax.ch» zieht Konsequenzen 

Auf die Umfrage habe man grundsätzlich viele positive Rückmeldungen erhalten. Allerdings habe der Direktverkauf Fragen aufgeworfen. «Die Kunden möchten sich ein Angebot in Ruhe überlegen können», so das Fazit. In Zukunft wolle man deshalb von Direktverkäufen vor Ort absehen.

Das Team von «Greax.ch» versichert, dass die günstigste Verpflegungspauschale bei 11 Franken pro Tag und Person liegt. Zudem habe man sogar Fünf-Sterne-Hotels im Angebot, bei denen die Pauschale für die Halbpension zwischen 21 und 40 Franken liegt. «Was aber völlig klar ist, dass man in einem «gehobenen» Hotel entsprechend auch für die Verpflegung bezahlt, die Übernachtung aber mit unserer Hotel-Jahreskarte immer noch kostenlos ist.» Somit sei für jeden etwas dabei.

«Geld-zurück-Garantie» wirft Fragen auf 

Nicht nur bewirbt «Greax.ch» das Angebot mit «kostenlosen Übernachtungen», sondern auch mit einer «Geld-zurück-Garantie». Doch auch hier gibt es einen Haken: Erst nachdem der Kunde oder die Kundin die ersten zwölf Monate bezahlt hat und mit der Dienstleistung nicht zufrieden ist, kann das Geld zurückverlangt werden. Spätere Rückerstattungen sind nicht mehr möglich, heisst es in den AGB weiter.

Der Jurist sieht dies kritisch: «Durchschnittliche Konsumentinnen und Konsumenten werden ohne Durchlesen der AGB davon ausgehen, dass die ‹Geld-zurück-Garantie› in einer üblicheren Zeitspanne möglich ist.» Eine übliche Zeitspanne sei in der Regel 30 oder 60 Tage nach Vertragsabschluss – und nicht zehn Tage vor Vertragsende.

Hinter «Greax.ch» steckt die Tecincom GmbH mit Sitz in Ostermundigen. Laut Handelsregistereintrag erbringt die Firma Beratungs-, Grafik-, Werbe- und Vermittlungsdienstleistungen, die Durchführung von Verkaufsförderungsmassnahmen und ist im Handel mit Waren tätig. Dementsprechend ist es wenig verwunderlich, dass die Hotel-Jahreskarte nicht die einzige Dienstleistung ist, die die Firma erbringt.

Firma führte auch Haustürgeschäfte durch 

Die Tecincom GmbH setzt nicht nur auf spontane Passantinnen und Passanten, sondern klingelt auch an Schweizer Haustüren. Im November 2022 berichtete der «Beobachter» über das Angebot «Swissenergie.net». Eine Frau wurde vor der Haustüre überrumpelt und unterschrieb ein Bestellformular für eine 3600 Franken teure Solaranlage.

Kurz nach dem übereilten Kauf kamen ihr jedoch Zweifel auf, worauf sie sich an die Medien wandte. Expertinnen und Experten rieten ihr, innert 14 Tagen vom Vertrag zurückzutreten. Der Widerruf wurde von der Firma schliesslich anstandslos akzeptiert. So wie es das Gesetz auch vorschreibt.

* Name der Redaktion bekannt.

veröffentlicht: 13. März 2023 11:23
aktualisiert: 13. März 2023 15:03
Quelle: BärnToday

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