Stimmen aus Bern

So erinnern sich Berner Parlamentsmitglieder an Maurers Amtszeit

· Online seit 01.10.2022, 08:14 Uhr
Bei vielen Politikerinnen und Politiker aus dem Kanton Bern war die Überraschung über Ueli Maurers Rücktritt gross. Gegenüber BärnToday erzählen sie, welche Erinnerungen sie mit Maurer verbinden und was sie vom Rücktritt halten.
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Was sagen Sie zum Rücktritt von Ueli Maurer?

Jürg Grossen (Nationalrat GLP): «Man durfte erwarten, dass Ueli Mauer als ältester Bundesrat irgendwann zurücktritt. Mit ihm tritt eine bemerkenswerte Persönlichkeit zurück. Er hat sich viele Jahre in den Dienst der Öffentlichkeit gestellt und Politik gemacht. Ich persönlich hatte in vielen Angelegenheiten nicht dieselbe Meinung wie er, habe aber trotzdem viel Respekt davor, dass er bereit war, soviel Lebensenergie in die Politik zu stecken.»

Erich Hess (Nationalrat SVP): «Es ist sehr schade, dass Ueli Maurer aufhört. Er ist mit Abstand einer der allerbesten Bundesräte in den letzten paar Jahrzehnten. Ich habe gehofft, dass er noch weitermacht. Aber mir war auch bewusst, dass er aufgrund seiner Amtsjahre und seines Alters nicht ewig weitermachen würde."

Hans Stöckli (Ständerat SP): «Herr Maurers Rücktritt ist von seiner Seite her klug und zum richtigen Zeitpunkt erfolgt. Er hat das Recht, in seinem hohen Alter von bald 72 Jahren zurücktreten zu dürfen. Er hat für unser Land und seine Partei sehr viel erreicht. Ich kenne ihn seit über 30 Jahren, wir haben einander regelmässig gesehen und uns immer gut verstanden. Doch die Corona-Pandemie und nun der Krieg und der damit verbundene Druck auf die Finanzen haben Spuren hinterlassen, die auch in seinem Gesicht sichtbar waren. Somit hat mich sein Rücktritt nicht im Geringsten überrascht.»

Christa Markwalder (Nationalrätin FDP): «Ein bisschen überrascht bin ich schon – man muss aber nach einer so langen Amtszeit immer damit rechnen, dass jemand aufhört. Auf der anderen Seite haben für einmal nicht die Medien über seinen Rücktritt spekuliert. Ich glaube, wenn er in den Zeitungen über seinen Rücktritt gelesen hat, hat ihn das umso mehr motiviert, weiterzumachen. Er war ein toller Finanzminister, der im Parlament immer frei gesprochen hat. Ich glaube, im VBS hatte er damals ein weniger glückliches Händchen – Abstimmungen wie die Olympiade oder den Gripen hat er verloren. Natürlich hat er im EFD nicht alle Abstimmungen gewonnen, aber man hat ihm angemerkt, dass er mit Leidenschaft dabei war.»

Ein Rückblick auf Ueli Maurers Karriere:

Quelle: TeleBärn

Gibt es eine Situation oder ein Erlebnis, welches Ihnen in Erinnerung bleiben wird?

Werner Salzmann (Ständerat SVP): «Als ich noch nicht im Parlament, sondern im Organisationskomitee des Eidgenössischen Hornusserfestes war, kam er auf unseren Platz. Die Hornusser haben ihn angesprochen. Ich habe immer bewundert, wie nah er an den Menschen war, wie er ihnen zuhörte. Er kommt aus einfachen Verhältnissen und schätzte es immer, mit den Menschen zu sprechen.»

Grossen (GLP): «Es gibt nicht ein Erlebnis – ich stand in regelmässigem Austausch mit ihm. So kam es zu vielen Situationen, in denen wir zusammengesessen sind, um über Gott und die Welt und natürlich auch über politische Fragen zu diskutieren, ohne dass die Öffentlichkeit davon Wind bekam. Das habe ich sehr geschätzt. Er ist eine sehr offene Person als Politiker. Nun hoffe ich, dass er noch ein bisschen Zeit hat, um sich als «ganz normaler Ueli» durchs Leben zu bewegen.»

Stöckli (SP): «Es gibt zwei Erlebnisse: An einem Donnerstagabend Juni 2013 sollte er beim Turnfest Biel seine Eröffnungsrede als Bundespräsident halten. Dann wurden wir zusammen von diesem unglaublichen Unwetter überrascht. So mussten wir spontan umorganisieren – da war ich überrascht, wie spontan er uns geholfen hat, indem er Telefongespäche geführt hat, um die Armee aufzubieten. Dank seiner Hilfe konnten die schlimmsten Schäden behoben werden. Das hat uns emotional aneinandergebunden. Das zweite Erlebnis geschah vor drei Jahren, als ich mich zur Wiederwahl gestellt habe. Er hatte den Mut, in einem gemeinsamen Selfie für meine Wiederwahl einzustehen. Das ist nicht selbstverständlich.»

Markwalder (FDP): «Ich war seit seinen Anfangszeiten als Bundesrat mit im Parlament dabei, habe damals sogar seine Wahl erlebt. Ich habe seine Bundespräsidien miterlebt. Ein Erlebnis war sicher, als er als Bundespräsident am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest in Burgdorf zu Besuch war. Ich war damals im Organisationskomitee. Er hat solche Feste immer sichtlich genossen.»

Nun beginnt die Diskussion um die Nachfolge. Wen sehen Sie im Rennen?

Grossen (GLP): «Ich habe keine Meinung. Es ist an der SVP, Kandidatinnen und Kandidaten zu informieren. Ich erwarte, dass sie ein Zweier-Ticket vorschlagen und so dem Parlament eine Auswahl präsentieren. Dann werden wir im Dezember die Wahl erleben.»

Lars Guggisberg (Nationalrat SVP): «Die Diskussionen müssen nun parteiintern geführt werden. Das Amt als Bundesrat ist natürlich immer sehr reizvoll. Ich mache mir meine Gedanken dazu, werde aber sicher noch viele Gespräche zu diesem Thema führen müssen – innerhalb des familiären und beruflichen Umfeldes, aber natürlich auch jenem der Partei.»

Stöckli (SP): «Bern hat mit Herrn Rösti und Herrn Salzmann zwei valable Kandidaten. Aber den Nachteil, dass Frau Sommaruga aus dem Kanton Bern bereits im Bundesrat ist. Es wird sicher auch aus dem Kanton Zürich Kandidaturen geben – vorstellen könnte ich mir Frau Rickli. Es gibt aber noch andere Kandidatinnen und Kandidaten. Die Ausgangslage ist aus meiner Sicht sehr offen. Es wird auch spannend zu sehen sein, ob Herr Bundesrat Berset den Wechsel ins Finanzdepartement anstrebt – das könnte ganz neue Perspektiven eröffnen.»

Markwalder (FDP): «Das Kandidatenkarussell wird sich nun sehr schnell drehen – wir werden sehen, wer sich zur Verfügung stellt und sich das Amt zutraut.»

(ape/lae/pfl)

veröffentlicht: 1. Oktober 2022 08:14
aktualisiert: 1. Oktober 2022 08:14
Quelle: BärnToday

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