Schwere Vorwürfe

Berner IT-Ausbildungsfirma steht in der Kritik

· Online seit 17.04.2024, 05:00 Uhr
Demütigungen, Drohungen, bis hin zu sexueller Belästigung – all das wird einem Berner Informatiker- und Mediamatiker-Ausbildungsunternehmen vorgeworfen. Die Geschäftsleitung gibt zu, in der Vergangenheit diverse Fehler begangen zu haben – stellt aber gleichzeitig klar, dass mittlerweile eine andere Kultur herrsche.
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Die Bewertungen der BiCT AG auf Google Maps sind vernichtend: Bei 64 Rezensionen liegt der Durchschnitt bei 2,3 Sternen von 5 Sternen, darunter sind etliche 1-Stern-Bewertungen. Auch auf der Arbeitgeber-Vergleichsplattform Kununu sieht es nicht sonderlich besser aus: 47 Bewertungen, im Durchschnitt nur 2,7 von 5 Sternen.

Die Vorwürfe, die auf den beiden Plattformen teils mit Namen, teils anonym publiziert wurden, sind happig: Es ist von Ausbeutung die Rede, von Demütigungen, sogar von sexueller Belästigung. Und die Anschuldigungen gehen über die Bewertungsplattformen hinaus – BärnToday weiss von mehreren Personen, die ihre Ausbildung bei der BiCT absolviert haben und die Vorwürfe teilweise bestätigen.

Wurden Minderjährige belästigt?

Zwei Rezensionen lassen besonders aufhorchen: Jemand schreibt, «minderjährige Frauen» seien von «einer Person» belästigt worden. Eine andere Person meint: «Scheinbar hat ein Auszubildender eine Lernende sexuell belästigt (ich habe davon nichts mitbekommen).» Der Geschäftsleitung wird in diesem Zusammenhang vorgeworfen, nichts unternommen zu haben.

Diese sagt gegenüber BärnToday, dass es 2018 tatsächlich einen solchen Vorwurf gegeben habe. Eine Lernende habe belästigende Textnachrichten erhalten, die von einer unbekannten Handynummer ausgegangen seien. Die Nummer habe zwar niemandem zugeordnet werden können, eine Lehrperson habe jedoch unter Verdacht gestanden, die Nachrichten verschickt zu haben. «Die Lernende teilte jemandem von der Geschäftsleitung mit, dass sie eine Anzeige machen wolle, was wir ausdrücklich begrüsst hätten. Später sagte sie jedoch, dass sie aus Selbstschutz darauf verzichten wolle», so die Geschäftsführung.

«Weil wir keine Belästigungen dulden, hat die Geschäftsleitung den Vorfall sehr ernst genommen», heisst es weiter. Man habe die Vorwürfe von einer externen Anwaltskanzlei untersuchen lassen und sei mit dem kantonalen Mittelschul- und Berufsbildungsamt (MBA) der kantonalen Bildungsdirektion in Kontakt getreten. «Die verdächtigte Person wurde damals mit den Vorwürfen konfrontiert und stritt diese vehement ab.» Die Person arbeite «seit längerer Zeit» nicht mehr bei der BiCT.

Austausch mit Bildungsdirektion

Das MBA bestätigt auf Anfrage von BärnToday, dass es einen «regelmässigen und konstruktiven Austausch» mit der BiCT gibt. «Im Rahmen dieses Austauschs haben wir ungefähr acht Kontaktaufnahmen pro Jahr», heisst es weiter. Zum Austausch zwischen dem MBA und Lernenden der BiCT könne man keine Auskunft geben.

Nach dem Vorfall 2018 habe die BiCT eine externe Meldestelle eingerichtet, an die sich Lernende «auch ohne das Wissen der BiCT» wenden können. Zudem gebe es seither interne Vertrauenspersonen, die sich auf vertraulicher Ebene um Anliegen der Auszubildenden kümmern.

Der ICT-Firma wird weiter vorgeworfen, dass Lernende von der Geschäftsführung vor der gesamten Schule gerügt und gedemütigt wurden. Auch dies wird von der Geschäftsleitung bestätigt: «Es sind uns tatsächlich vereinzelte derartige Vorfälle bekannt, die mehrere Jahre zurückliegen. Das war unangebracht und tut uns leid für die Betroffenen.» Die heutige Geschäftsleitung, die in den vergangenen Jahren verjüngt worden sei, stehe für eine Begegnung auf Augenhöhe und eine wertschätzende Kommunikation.

Lernende zur Unterrichtsteilnahme gezwungen?

Zur Kritik, Lernende seien gezwungen worden, trotz Krankheit zum Unterricht zu erscheinen, sagt die Unternehmensleitung um Verwaltungsratspräsident Armin Wyss: «Es ist wahr, dass in der Zeit vor der Corona-Pandemie Lernenden bei Beschwerden wie Kopfweh ans Herz gelegt wurde, wenn möglich am Unterricht teilzunehmen. Diese Fälle traten ein, wenn wir vermuteten, dass die Krankheit lediglich als Vorwand für das Nichterscheinen bei der Arbeit genutzt wurde.» Auch hier habe ein «grosses Umdenken» stattgefunden. Man nehme die Gesundheit der Lernenden sehr ernst und es liege der BiCT mittlerweile fern, jemanden zu zwingen, zur Arbeit zu kommen.

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Es kam auch vor, dass Lernenden mit einer Auflösung des Lehrvertrages gedroht wurde, was «nicht in jedem Fall» angebracht gewesen sei. Weiter wurde einem Lernenden vor mehreren Jahren ans Herz gelegt, dass er sich doch in der Freizeit mit gewissen Personen nicht treffen soll. Dabei sei es um Kontakte zu Personen aus der Drogenszene gegangen. «Dieser Vorfall wurde mit dem MBA aufgearbeitet», stellt die BiCT-Geschäftsleitung klar. Heute vertrete man die Haltung, dass der Inhalt des Privatlebens der Lernenden Sache der Erziehungsberechtigten sei.

Kleidervorschriften und Zufriedenheitsumfragen

Hinzu kamen in der Vergangenheit von vielen als zu streng angesehene Kleidervorschriften und eine interne Zufriedenheitsumfrage, welche die Lernenden wegen zu negativen Rückmeldungen nochmals ausfüllen mussten. Auch diese Themen habe man reflektiert – die entsprechenden Vorschriften und Vorgänge seien angepasst worden, so die Geschäftsführung des Berner Unternehmens.

Die BiCT gibt sich durchaus selbstkritisch und versucht nicht, Dinge schönzureden. «Wir haben uns lange schwergetan, mit den jüngsten gesellschaftlichen Entwicklungen Schritt zu halten und uns anzupassen», sagt Gründer und Geschäftsleiter Armin Wyss. Die Reaktionen seien deshalb verständlich und berechtigt. «Als Gründer der BiCT AG trage ich die Verantwortung für Vergangenes, auch für passierte Fehler. Ich bin dankbar für die Kritik, denn ich habe viel daraus gelernt», so Wyss weiter.

Als positives Zeichen wertet die Firmenleitung, dass mehrere ehemalige BiCT-Lernende mittlerweile beim Unternehmen als Coaches arbeiten. Auch aktuelle Zufriedenheitsumfragen, die «von unabhängigen Stellen» durchgeführt worden seien, würden ein deutlich besseres Bild zeichnen, als es in der Vergangenheit der Fall war.

veröffentlicht: 17. April 2024 05:00
aktualisiert: 17. April 2024 05:00
Quelle: BärnToday

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