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Berner Tierheim kontert Kritik: Darum sind die Auflagen so streng

Zu hohe Anforderungen?

Berner Tierheim kontert Kritik: Darum sind die Auflagen so streng

11.01.2023, 19:41 Uhr
· Online seit 11.01.2023, 11:27 Uhr
«Denken Sie an die Tierheime und kaufen Sie keine Haustiere übers Internet», hatte Leiterin Therese Beutler im Gespräch mit BärnToday gefordert. Darauf entgegneten Tierliebhaberinnen und -liebhaber: «Ich würde ja gerne, aber die Ansprüche sind zu hoch.» Hält diese Kritik stand?
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In der Kommentarspalte zum Bericht schilderten Leserinnen und Leser ihre Erfahrungen mit dem Tierheim. Viele schwärmten von der Arbeit der Tierpflegerinnen und Tierpfleger. Andere ärgerten sich darüber, dass sie kein Haustier erhielten, etwa weil sie pensioniert oder berufstätig seien – oder weil sie zuvor keine Hundeerfahrung gehabt hatten. Die Tierheime würden zu hohe Anforderungen stellen und die Probleme seien damit hausgemacht, so der Tenor der Kritikerinnen und Kritiker.

«Uns ist bewusst, dass unsere Anforderungen als hohe Ansprüche wahrgenommen werden», sagt nun Tierzentrumsleiterin Beutler auf Anfrage. Doch diese würden das Berner Tierzentrum sowie andere Schweizer Tierheime auch aus gutem Grund stellen. «Bei jeder Platzierung kommt es sowohl auf das Bedürfnis des Tieres und auf das Bedürfnis des Menschen drauf an. Unsere Aufgabe ist es, beides zusammenzuführen.»

So könne man eine junge Katze nicht neben einer Hauptstrasse oder eine Schmusekatze mit grossem Bedürfnis nach menschlicher Nähe nicht bei einer berufstätigen Person platzieren, erklärt Beutler. Dazu komme: «Bei berufstätigen Hundehaltern brauchen wir eine Bestätigung des Arbeitgebers, dass der Hund auf die Arbeit mitgenommen werden darf.»

Generell seien die Anforderungen heutzutage auch strenger als früher. Die Tiere, die im Heim landen, seien «nicht mehr die einfachsten», so die Tierzentrumsleiterin. «Früher hatten wir zum Beispiel viele Labradorwelpen mit deutlich tieferen Ansprüchen.» Heute gebe es häufiger Tiere mit einem unschönen Schicksal oder auch potenziell gefährliche Hunde – sogenannte Listenhunde.

Du hast unsere Reportage aus dem Tierheim verpasst? Hier kannst du sie nochmals anschauen:

Quelle: BärnToday / Fabiola Hostettler

Dass keine Haustiere an Pensionierte vermitteln werden, sei ein «Mythos». «Ich habe in den letzten drei Jahren so viele Hunde wie noch nie bei Personen über 60 Jahren platziert», sagt Beutler. Nur müsse es auch dort stimmen und daher sei nicht jeder Hund für eine Platzierung bei Pensionierten geeignet.

Das sagt die Tierschutzexpertin

Rückendeckung erhält das Tierheim von der Tierschutzexpertin Susy Utzinger. Die Kritik an den Tierheimen kann sie nicht nachvollziehen.

Nur weil man eine bestimmte Anforderung nicht erfülle, heisse das nicht, dass man kein Tier bekomme, so Utzinger. «Sondern das bedeutet, dass man das spezielle Tier mit seinen individuellen Anforderungen, die es an sein Umfeld stellt, nicht erfüllen kann und das Tier deshalb nicht erhält.»

Dass Tierheime strenge Vorschriften machten, erachtet die Expertin als «hervorragend». Es gebe nun mal Tiere, die nicht über den Tag allein gelassen werden sollten, und sich eine vollzeitberufliche Person deshalb nicht als Besitzerin eigne. Andere Tiere erfordern eine bestimmte Umgebung. «Die Möglichkeiten des Tierhalters und die Anforderungen, die das Tier stellt, müssen harmonieren. Sonst werden beide nicht glücklich.»

Um dies sicherstellen zu können, müssen sich die Tierpflegerinnen und Tierpfleger die entsprechende Zeit nehmen. Deshalb könne man auch nicht einfach spontan in ein Tierheim gehen und gleich ein Hund oder eine Katze mitnehmen. «Wenn diese Wartezeit einem nicht wert ist, sollte man vielleicht besser ein Stofftier anschaffen», rät Utzinger.

Strenge Vorschriften sollen für leerere Tierheime sorgen 

Dass sich Tierliebhaberinnen und -liebhaber nicht die nötige Zeit nehmen, bis sie ein passendes Tier im Heim finden, geht Utzinger gegen den Strich. «Die Leute wollen das Tier gar nicht mehr adoptieren, sondern sich dieses wie ein Spielzeug zulegen. Wenn es das nicht sofort gibt, wird getrötzelt und stattdessen ein Tier im Internet gekauft.»

Das habe mitunter schlimme Konsequenzen für die Tiere. «Nach einer längeren Odyssee landen genau diese Tiere dann im Tierheim – eben weil es nicht passt.»

veröffentlicht: 11. Januar 2023 11:27
aktualisiert: 11. Januar 2023 19:41
Quelle: BärnToday

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