Bürgerliche kritisieren Finanzpolitik der Stadt – trotz Überschuss von 11 Millionen Franken
Die Steuereinnahmen seien deutlich höher ausgefallen als erwartet, teilte die Stadt am Donnerstag mit. Zum dritten Mal in Serie folgt damit auf ein tiefrotes Budget ein kleiner Rechnungsüberschuss. Die Besserstellung betrug in den letzten Jahren stets mehrere Dutzend Millionen Franken. Der Überschuss wird als zusätzliche Abschreibung in die finanzpolitischen Reserven eingelegt. So betragen die Reserven zur Deckung zukünftiger Defizite neu 106,7 Millionen Franken.
Die Steuererträge belaufen sich auf 586 Millionen Franken und liegen somit 40 Millionen Franken über dem Budget. Zudem sind es 28 Millionen Franken mehr als im Vorjahr. Beim Ertrag der natürlichen Personen resultiert mit 391 Millionen Franken ein Rekord, der Ertrag der juristischen Personen ist vergleichsweise ebenfalls hoch. Die Stadt wertet das als Folge der hohen Attraktivität als Wohn- und Wirtschaftsstandort, wie sie in der Mitteilung schreibt.
Hohe Investitionen
Das Ergebnis 2023 sei erfreulich, hielt der Gemeinderat fest. Der finanzpolitische Kurs stimme, der städtische Haushalt befinde sich in solider Verfassung. Der hohe Investitionsbedarf in die Schulinfrastruktur sowie in Eis- und Wasseranlagen bleibe aber eine Herausforderung.
Mit 166 Millionen Franken hat die Stadt Bern 2023 rund 29 Millionen Franken mehr investiert als noch 2022. Bei den Nettoinvestitionen gab es einen Allzeitrekord. Zu den grössten Investitionen zählen die Sanierung und Erweiterung der Volksschule Bethlehemacker (12,8 Mio.), der Neubau der 50-Meter-Schwimmhalle (12,2 Mio.), der Neubau mit Doppelturnhalle der Heilpädagogischen Schule (11,6 Mio.) und die Realisierung der Volkschule Baumgarten (10,5 Mio.).
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Aus Sicht der Stadtregierung befindet sich der Finanzhaushalt zwar in solider Verfassung, allerdings seien die Vorgaben der Finanzstrategie auch 2023 nicht eingehalten worden. Der finanzielle Spielraum bleibe eng. Aus diesem Grund gelte es weiterhin, Prioritäten zu setzen und neue Ausgaben restriktiv zu beschliessen.
Finanzdirektor Michael Aebersold (SP) präsentierte am Donnerstag vor den Medien zum letzten Mal eine Jahresrechnung. Er tritt Ende Jahr nicht mehr zur Wiederwahl an.
Linke loben, Bürgerliche toben
Der Finanzkurs der rotgrün dominierten Berner Stadtregierung wird weiter kontrovers beurteilt. Das Mitte-Rechts-Lager prangert die «Schuldenwirtschaft» an, die Linke lobt die «verantwortungsvolle Finanzpolitik».
Scharfe Kritik kam am Donnerstag nach der Präsentation der Rechnung 2023 von der FDP. Der Überschuss könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Stadt erneut massiv verschuldet habe, weil Mittel falsch priorisiert worden seien. Trotz deutlich höherer Steuereinnahmen habe sich die Stadt seit 2017 jedes Jahr um durchschnittlich 85 Millionen Franken neu verschuldet. Das sei unverantwortlich und kurzsichtig. Die Ausgabenfreude der rot-grünen Mehrheit führe dazu, «dass die nächsten Generationen nur unsere Lecks stopfen können».
Rekordhohe Einnahmen hätten der Stadt einen «gesichtswahrenden Überschuss» beschert, teilten die GLP/EVP-Fraktion mit. Bei genauer Betrachtung stelle man weniger Erfreuliches fest. Trotz rekordhohen Steuererträgen liege die Neuverschuldung weit über der Grenze, die der Gemeinderat selber als nachhaltig tragbar bezeichnet habe.
Ganz anders schätzt die SP die Lage ein. Das Ergebnis zeuge von einer soliden Finanzpolitik im Sinne eines starken Service public für alle Bernerinnen und Berner. Der dritte positive Abschluss in Folge bestätige, dass die Angstmacherei der Bürgerlichen fehl am Platz sei. Man werde sich weiter für eine Finanzpolitik einsetzen, die eine lebenswerte und soziale Stadt ermögliche. Denn die Stadt müsse weiter investieren, sagte Co-Präsidentin Lena Allenspach.
(sda/raw)