Burgdorf

Überraschung am Gericht: Angeklagter in Missbrauchsprozess ist jetzt eine Frau

05.09.2023, 12:22 Uhr
· Online seit 04.09.2023, 17:21 Uhr
In Burgdorf muss sich seit Montag eine Person verantworten, die jahrelang ihre Stieftöchter missbraucht haben soll. Nachdem die Opfer und deren Mutter ausgesagt haben, folgte die grosse Überraschung: Die angeklagte Person versteht sich heute nicht mehr als Mann, sondern als Frau.
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Es sind happige Vorwürfe, für die sich ein Stiefvater in dieser Woche vor dem Regionalgericht Emmental-Oberaargau in Burgdorf verantworten muss. Jahrelang soll er seine beiden Stieftöchter sexuell missbraucht haben – mit dauernden unangemessenen Berührungen, mit Fesselspielen, mit psychischem Druck. Die beiden heute 19- und 23-jährigen Frauen sagten gemäss 20 Minuten vor Gericht aus, ihr Stiefvater habe sie permanent unter Kontrolle gehabt und sie mit Angst gefügig gemacht.

Erst als sie älter wurden, hätten sie sich den ständigen Übergriffen mehr und mehr entziehen können; schliesslich brachten sie den Mann zur Anzeige, um ihn nicht davonkommen zu lassen. Noch heute leiden sie unter den Ereignissen in den Jahren 2009 bis 2018, als sie im Haus des Beschuldigten in einer Oberaargauer Gemeinde lebten. Die beiden jungen Frauen befinden sich in einer Therapie.

Beschuldigter trägt Frauenkleider

Bevor sich der Beschuldigte zu den Vorwürfen äussern konnte, gab es zwei Überraschungen. Erstens sei er ausserstande, sich der Befragung durch das Regionalgericht zu stellen, er fühle sich desorientiert und verspüre Brechreiz, sagte sein Verteidiger. Zuerst wurde der Prozess für einige Minuten unterbrochen, danach vertagte das Gericht die Befragung auf morgen Dienstag.

Überraschung Nummer zwei: Der beschuldigte Stiefvater sieht sich heute als Frau und trägt frauentypische Kleider. Von seinem Verteidiger wurde er wiederholt als «sie» angesprochen, berichtet 20 Minuten.

Ahnungslose Mutter?

Zuvor wurde die Mutter der beiden Opfer befragt, die ebenfalls angeklagt ist. Gemäss Staatsanwaltschaft hatte sie bei mindestens einer Fesselung der Töchter mitgeholfen. Die Mutter gab bei der Befragung zu, dass sie ein einziges Mal dabei gewesen sei. Sie sei von ihrem Partner dazu genötigt worden. Sie habe diese Aktion aber nicht als sexuell aufgeladen wahrgenommen, alle seien bekleidet gewesen. Die weiteren Fesselungen habe sie nicht mitbekommen.

Ohnehin habe sie bei ihrem damaligen Partner keine pädophilen Neigungen festgestellt. Erst als sich ihre jüngere Tochter ihr anvertraut habe, habe sie davon erfahren und sei entsetzt gewesen. Das Familienleben beschrieb sie als von ständiger Angst geprägt, ihr damaliger Partner habe alles unter Kontrolle gehabt. Sie habe sich wertlos und abhängig gefühlt. Bei Widerstand habe sie befürchtet, auf der Strasse zu landen.

Ihr Verhältnis zu den beiden Töchtern sei heute sehr gut, sie lebe weiterhin mit ihnen zusammen.

Urteil am Donnerstag

Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt mit der Befragung des Stiefvaters. Danach folgen die verschiedenen Plädoyers. Die Urteilsverkündung ist für den Donnerstag angesetzt.

(mj)

veröffentlicht: 4. September 2023 17:21
aktualisiert: 5. September 2023 12:22
Quelle: 32Today

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