Kanton Solothurn

Es mangelt an Medikamenten für Tiere – Expertinnen sind besorgt

09.07.2023, 13:29 Uhr
· Online seit 09.07.2023, 12:06 Uhr
Wenn der fellige Liebling zu Hause krank ist, geht man zum Tierarzt. Doch was ist, wenn das nötige Medikament nicht erhältlich ist? Der schweizweite Medikamentenengpass betrifft auch den Kanton Solothurn. Die Auswirkungen können gravierend sein.
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Im Kanton Solothurn mangelt es an Medikamenten. Auch die Veterinärmedizin ist betroffen. «Der Medikamentenmangel bei uns ist grossflächig, am meisten fallen dabei Impfstoffe auf, für die es keine Alternativen gibt», erklärt Nicole Sommerhalder, Tierärztin in der Kleintierpraxis Sommerhalder GmbH in Grenchen.

Wenn die Produktion eingestellt werden und sie nicht mehr beliefert werden können, gebe es keine Ersatzprodukte. «Bei gewissen Produkten wie Antibiotika und Entzündungshemmer haben wir aber die Möglichkeit, auf alternative Produkte umzustellen», so Sommerhalder.

Kommt vor, dass Tiere gar nicht behandelt werden können

In der Kleintierpraxis habe der Medikamentenmangel Hunde und Katzen gleichermassen getroffen, so Sommerhalder. «Wenn bei einem Hund, der unter Arthrose leidet und auf das Schmerzmittel gut reagiert, auf ein anderes umstellen muss, dass er nicht gleich verträgt, muss er folglich die Schmerzen ertragen.» In solchen Situationen sei man machtlos. Dass ein Hund deswegen leiden muss, sei schade.

Ein Mangel an Medikamenten für Tiere zeichnet sich auch in der Tierarztpraxis Spiegelberg in Halten ab. «Wenn der Impfstoff fehlt, haben wir leider keine Möglichkeit, diesen zu ersetzen», sagt Ditte Kindt. Sie ist Tierärztin für Kleintiere in der Tierarztpraxis Spiegelberg. Aber: «Beim Antibiotikum Clavaseptin, das bei bakteriellen Infektionen bei Hunden und Katzen zum Einsatz kommt, kann man auf andere Produkte mit dem gleichen Wirkstoff umsteigen.»

Gemäss Ditte Kindt könne es auch vorkommen, dass man Tiere gar nicht behandeln kann, wenn es sich um virale Krankheiten handle.

«Ohne Calciuminfusion kann das Tier sterben»

Noch einmal schwieriger sei die Situation bei grösseren Nutztieren, wie beispielsweise bei Kühen. Ditte Kindt erklärt: «Grosstierärzte haben einen Mangel an Calciuminfusionen, Impfstoffen und Entwurmungsmittel, Narkosemittel und Iodlösungen.» Davon seien aber Gross- und Kleintiere sind gleichermassen betroffen.

Gerade Kühe bräuchten Calciuminfusionen gleich nach der Geburt. «Wenn das Tier die Infusion nicht erhält, kann es sein, dass es nicht aufstehen kann und das Herz aufhört zu schlagen.» In der Tierarztpraxis Spiegelberg sei man aber auf den Engpass von Calciuminfusionen vorbereitet gewesen, deshalb seien diese auf Vorrat bestellt worden. Ein Vorrat sei also gesichert.

Aber was ist, wenn Tierärzte kranke Tiere aufgrund des Medikamenten-Mangels nicht heilen können? «Dann muss beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen oder bei der Swissmedic eine Bewilligung eingeholt werden, um das benötigte Medikament importieren zu können», weiss Chantal Ritter, Verantwortliche des Kantonalen Veterinärdienst Solothurn.

Grosse Abhängigkeit von China und Indien

Die zunehmende Globalisierung und die damit Verbundene Abhängigkeit des Auslands sei eine der zentralen Ursachen für den Mangel an Medikamenten: «Viele Produktionsstätte wurden in Länder verlegt, die billiger produzieren», sagt Nicole Sommerhalder von der Kleintierpraxis Sommerhalder GmbH. Die Abhängigkeit von China und Indien sei riesig. In Europa gebe es zu wenig Produktionsorte: «Geht eine zu, wird einfach nicht mehr geliefert», sagt Sommerhalder.

Hinzu käme noch der Preisdruck: «Der führt dazu, dass gewisse Medikamente für die Produzenten zu wenig rentieren und diese aus diesem Grund abgestellt werden». sagt Sommerhalder.

Zurück zur mittelalterlichen Medizin

Die Situation werde sich vermutlich in der nächsten Zeit nicht verbessern. «Es ist sehr schwierig zu sagen, aber ich denke, dass Engpässe zunehmen. Gewisse Medikamente werden wir nicht mehr einsetzen können.» Überspitzt gesagt würde das bedeuten: Zurück zur mittelalterlichen Medizin. «Ich bin zur Zeit eher skeptisch, was die Zukunft anbelangt.»

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veröffentlicht: 9. Juli 2023 12:06
aktualisiert: 9. Juli 2023 13:29
Quelle: 32Today

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