Schwere Nussallergie

«Ich vermeide es, mit Swiss und Edelweiss zu fliegen»

31.07.2023, 07:37 Uhr
· Online seit 31.07.2023, 07:07 Uhr
Eine Nussallergie macht Tamara das Leben schwer. Beim Fliegen hat sie mit der Swiss und der Edelweiss schlechte Erfahrungen gemacht. Dabei kann ein anaphylaktischer Schock lebensbedrohlich sein.
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«Gestern flog ich mit der Edelweiss, im Auftrag der Swiss, in die Ferien. Ich informierte die Cabin Crew, dass ich eine starke Nussallergie habe. Die Flugbegleiterinnen haben mich nur angelächelt, mit den Schultern gezuckt und ‹Okay› gesagt.» Von diesem Vorfall erzählt Tamara* der Today-Redaktion.

Allergene im Essen waren nicht deklariert

Tamara ist allergisch auf Nüsse. Am schlimmsten sind Mandeln und Haselnüsse. Nur schon, wenn jemand in ihrer Umgebung eine Tüte Mandeln öffnet, kann es zu einer allergischen Reaktion führen. Es reicht, wenn sich die Allergie auslösenden Stoffe in der Atemluft befinden. Darum hat Tamara ihren Epipen immer griffbereit –  er kann einen anaphylaktischen Schock bekämpfen.

Für diesen Epipen habe sich das Kabinenpersonal der Edelweiss überhaupt nicht interessiert. «Während des Fluges ist nicht einmal jemand gekommen, um mich zu fragen, ob ich einen Epipen habe und ob er griffbereit sei», sagt Tamara.

Als das Essen serviert wurde, war von Informationen zu Allergenen keine Spur. In der Schweiz müssen 14 Allergien auslösende Zutaten auf Lebensmittel klar und gut ersichtlich deklariert werden. Immerhin habe sie das Personal darauf aufmerksam gemacht, welche Speisen Nüsse enthielten. Anders war es ein Jahr zuvor – als Tamara das letzte Mal mit Swiss und Edelweiss geflogen war.

Edelweiss servierte Kekse mit Nüssen

«Damals flog ich alleine mit meinen Kindern. Vorab hatte ich die Swiss informiert, dass ich auf Nüsse allergisch bin.» Diese antwortete Tamara, dass sie selbst verantwortlich sei. «Dessen bin ich mir bewusst. Deshalb trage ich im Flieger immer zwei Masken», erzählt Tamara.

Das Kabinenpersonal wies nur auf den Notfallknopf oberhalb ihres Sitzplatzes hin. Wenn was sei, könne Tamara diesen drücken. «Ich reise alleine mit meinen Kindern. Wenn ich nicht mehr atmen kann und Hilfe benötige, ist es nicht meine erste Priorität, diesen Knopf zu drücken. In diesem Moment brauche ich sofort Hilfe», erklärt Tamara. «Jemand muss meinen Epipen prüfen und ihn mir in das Bein rammen!»

30 Minuten später wurden ihr und den Kindern Kekse mit Mandeln und Haselnüssen serviert. «Das war einfach ein Witz», empört sich Tamara auch noch ein Jahr später: «Menschen sterben während Flügen an Allergien!»

Easyjet bittet andere Passagiere, keine Nüsse zu essen

Andere Fluggesellschaften, etwa Easyjet, gingen mit Allergien anders um, erklärt Tamara. «Das Personal bedankt sich, wenn ich sie über meine Allergien informiere. Die Flugbegleitenden fragen jeweils, ob ich einen Epipen dabei habe und ob dieser in Reichweite sei.»

«Unser Kabinenpersonal macht Durchsagen, um andere Kunden zu bitten, während des Fluges keine Produkte mit Nüssen zu verzehren. Wir werden auch den Verkauf von Produkten, die Spuren von Nüssen enthalten könnten, an Bord einstellen», heisst es auf der Website von Easyjet. Dafür ist Tamara dankbar. «Sie bitten alle im Flieger, keine Nusspackungen zu öffnen. Das bedeutet mir extrem viel», sagt sie.

Zudem könne eine Allergie bei Easyjet schon bei der Buchung angegeben und «Besondere Hilfe» angefordert werden. Das ist bei der Swiss nicht möglich, wie diese auf Anfrage schreibt.

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Nussallergie kann zu Kreislaufstillstand führen

«Bis zu neun Prozent der Personen mit einer Nahrungsmittelallergie haben während eines Fluges eine allergische Reaktion», heisst es auf der Website des Allergiezentrums Schweiz (Aha).

Das Aha empfiehlt Allergikerinnen und Allergikern, die Fluggesellschaft und das Flugpersonal zu informieren. Denn: «Durch gute Vorbereitung und vollständige Kommunikation zwischen Passagier und Flugpersonal lässt sich dieses Risiko einschränken.»

Dies sei wichtig, falls ein anaphylaktischer Schock auftrete: «Sollte es zum Notfall kommen, wissen alle Beteiligten, wie richtig zu handeln ist.»

Swiss serviert Nüsse, aber keine Erdnüsse

Auf Anfrage der Today-Redaktion lässt die Swiss verlauten, dass sich Passagiere mit einer Lebensmittelallergie vor dem Flug an den Kundendienst wenden könnten. Ausserdem empfiehlt die Fluggesellschaft, Notfallmedikamente sowie eine eigene Verpflegung mitzunehmen. Wer sich über die Inhaltsstoffe der Speisen informieren wolle, könne dies in der Speisekarte nachschauen.

Das Kabinenpersonal nehme Rücksicht auf die Bedürfnisse der Passagiere. «Da die Bedürfnisse unserer Passagiere auch im Fall von Allergien sehr individuell sind, beurteilt unser Kabinenpersonal ein allfälliges Vorgehen grundsätzlich in Absprache mit dem betreffenden Fluggast», schreibt die Fluggesellschaft.

Auf ihrer Website schreibt die Swiss zum Thema Nussallergie, dass sie keinerlei Vorkehrungen treffe, um «nussfrei» zu sein. Dafür würden keine Erdnüsse serviert – diese sind botanisch gesehen Hülsenfrüchte. Und: «Wir empfehlen Ihnen, das Ausmass Ihrer Allergien und sonstigen gesundheitlichen Probleme zu berücksichtigen und abzuwägen, ob eine Flugreise in puncto allergischer Reaktionen für Sie die richtige Wahl ist.»

Edelweiss will sich verbessern 

Edelweiss weist auf ihrer Webseite daraufhin, schon vor dem Flug Spezialmenüs zu buchen. Ob sich in den Spezialmenüs Nüsse befinden, ist auf der Website nicht ersichtlich.

Die Fluggesellschaft entschuldigt sich auf eine Beschwerde von Tamara hin. Ihnen sei bewusst, dass Nussallergien gefährlich und Vorsichtsmassnahmen wichtig seien. Edelweiss gibt an, das Ausbildungsprogramm des Kabinenpersonals zu überprüfen und auszubauen, damit dieses in Zukunft mit Allergien mit «grösster Sensibilität und Professionalität» umzugehen wisse.

Zu den nicht deklarierten Inhaltsstoffe der Speisen schreibt die Fluggesellschaft: «Wir werden uns in Zukunft bemühen, sicherzustellen, dass alle auf unseren Flügen servierten Lebensmittel klare und genaue Informationen erhalten.»

Fluggesellschaften sollen Verantwortung übernehmen

Tamara erwartet von den Fluggesellschaften nicht, dass ihr Personal alle Passagiere überwache, damit diese keine Nüsse essen. «Ich wünsche mir einfach, dass Swiss und Edelweiss mehr Verständnis zeigen würden. Gerade, wenn ich alleine mit meinen Kindern fliege.» Die Kinder sollten nicht mitansehen müssen, wie ihre Mutter einen anaphylaktischen Schock hat.

Die Fluggesellschaften sollten «für die Menschen in der Luft Verantwortung übernehmen». Es könne nicht sein, dass eine Fluggesellschaft wie die Swiss findet: «Du kannst nicht atmen – das ist nicht unser Problem!» 

Für sie selbst ist klar: «Ich vermeide es, mit der Swiss und der Edelweiss zu fliegen.»

*Name der Redaktion bekannt 

veröffentlicht: 31. Juli 2023 07:07
aktualisiert: 31. Juli 2023 07:37
Quelle: Today-Zentralredaktion

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