Klimaschutz

Klimaseniorinnen-Urteil wirft Fragen auf – wir haben Antworten

· Online seit 09.04.2024, 21:28 Uhr
Nach dem historischen Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gibt es einige Fragen und viel Erklärungsbedarf, was das genau bedeutet. Hier gibt es die wichtigsten Antworten.
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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Schweiz gerügt, weil sie zu wenig für den Klimaschutz unternimmt. Die Klimaseniorinnen haben vor Gericht Recht bekommen. Doch was heisst das konkret?

Zuerst einmal: Wieso urteilt überhaupt ein EU-Gericht über die Schweiz?

Das stimmt so nicht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat nichts mit der Europäischen Union zu tun. Die Schweiz hat die Europäische Menschenrechtskonvention 1973 razifiziert. Im Gerichtshof für Menschenrechte sind 46 Mitglieder des Europarats dabei, die Schweiz hat mit Andreas Zünd ebenfalls einen Richter dort.

Wofür wurde die Schweiz verurteilt?

Die Schweiz hat gegen zwei Paragraphen verstossen. Einerseits hat sich die Gesundheit der Menschen nicht genügend geschützt. Um das zu gewährleisten, muss sie etwas gegen den Klimawandel unternehmen. Der Schweiz wird vorgeworfen, hier zu wenig aktiv zu sein. Andererseits werden die Schweizer Gerichte gerügt, weil sie die Klimaseniorinnen gar nicht angehört haben, sondern ihre Klagen direkt abgewiesen haben.

Was passiert, wenn die Schweiz jetzt einfach nichts macht?

Die Schweiz muss das Urteil akzeptieren und Massnahmen ergreifen. Sie hat die Europäische Menschenrechtskonvention unterschrieben und sich damit verpflichtet, das Urteil des Gerichts zu anerkennen und umzusetzen. Sollte sie das nicht machen, bricht sie einen internationalen Vertrag.

Sollte die Schweiz keine Reaktion auf das Urteil zeigen, wird es immer wieder vom Europarat zur Sprache gebracht, im äussersten Fall könnte das Ministerkomitee sogar die Schweiz dazu auffordern, aus der Europäischen Menschenrechtskonvention auszutreten. Allerdings ist ein solches Szenario in der Vergangenheit noch nie vorgekommen, viel wahrscheinlicher ist, dass es zu neuen Klagen in der Schweiz kommt.

Aber wenn die Stimmbevölkerung gar keine neuen Massnahmen will?

Tja, das dürfte zu einem Problem werden. Die Stimmberechtigten haben erst 2021 das CO2-Gesetz abgelehnt. Jetzt muss der Bundesrat andere Wege finden, um das Urteil des Gerichtshofs umzusetzen. Einen Volksentscheid kann allerdings auch das Gericht nicht kippen.

Wieso mischt sich überhaupt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in die Schweizer Politik ein?

Das macht er nicht. Im Urteil steht explizit, dass der Gerichtshof nicht vorschreiben kann, welche politischen Massnahmen nun nötig seien. Weiter wird erwähnt, dass es jetzt einen politischen Prozess brauche, um das weitere Vorgehen zu definieren. Klar ist nur, dass die Schweiz konkrete und zeitlich bestimmte Massnahmen ergreifen muss, um den Klimawandel zu bekämpfen.

War das Urteil politisch motiviert?

Nein, denn im Gremium des Gerichtshofs sitzen Personen aus allen politischen Lagern. Und das Urteil war fast einstimmig. Nur waren sich alle einig, dass sich die Wissenschaft in Bezug auf den menschgemachten Klimawandel nicht leugnen lässt und die Menschenrechte in diesem Fall eindeutig verletzt werden.

Bekommen die Klimaseniorinnen nun Geld?

Ja, die Schweiz muss dem Verein 80'000 Euro für die Auslagen bezahlen. Nur: Seit die Klagewelle losgetreten worden ist, haben die Klimaseniorinnen, beziehungsweise die Umweltorgansisation Greenpeace, welche die Verfahren unterstützt hat, über eine Million Franken dafür ausgegeben. Laut eigenen Aussagen wurde ein Grossteil der Kosten durch private Spenden finanziert.

Welche Auswirkungen hat das Urteil international?

Es muss davon ausgegangen werden, dass jetzt in mehreren Staaten, die der europäischen Menschenrechtskonvention zugestimmt haben, Klagen wegen Klimamassnahmen eingehen. Das Urteil hat Präzedenzcharakter.

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veröffentlicht: 9. April 2024 21:28
aktualisiert: 9. April 2024 21:28
Quelle: FM1Today

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