Missbrauchsskandal

«Niemand tritt aus seiner Kirche aus, weil kritisch berichtet wurde»

28.09.2023, 07:53 Uhr
· Online seit 28.09.2023, 06:44 Uhr
Missbrauchs- und Züchtigungsvorwürfe werfen zurzeit einen dunklen Schatten auf einige kirchliche Institutionen. Sowohl die katholische Landeskirche als auch das Thema Freikirche können sich zu Reizthemen entwickeln. Doch was bedeuten die Schlagzeilen für die Religionslandschaft?
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Die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche und Züchtigungsvorwürfe in der damaligen Domino-Servite-Schule von Ex-Chocolatier Jürg Läderach sorgen für Diskussionen und werfen Fragen auf. Folgt nun eine Welle von Kirchaustritten oder zu Übertritten in andere Religionsgemeinschaften? George Schmid, Religionsexperte bei der Infostelle Relinfo, schätzt gegenüber ArgoviaToday die möglichen Auswirkungen auf die Religionslandschaften ein.

Freikirchen als Alternative zur katholischen Kirche?

Die beiden Themen bewegen sich laut Experte auf unterschiedlichen Ebenen. In Bezug zur katholischen Kirche geht es um sexuellen Missbrauch, die aus Sicht der Kirche und Gesellschaft seit jeher strikt verboten sind. Allerdings über Jahrzehnte immer wieder auftraten und vertuscht wurden, um vermeintlichen Schaden von der Kirche fernzuhalten.

Bei den Züchtigungsvorwürfen in der Läderach-Affäre gehe es hingegen um ein Verhalten, welches aus Sicht der Gesellschaft über mehrere Jahrhunderte hinweg als normal und notwendig galt und erst seit der Mitte des 20. Jahrhunderts kritischer gesehen wird, erklärt Schmid weiter.

Dass die katholischen Missbrauchsskandale nun einen Aufschwung für die hiesigen Freikirchen bedeuten könne, bezweifelt der Religionsexperte jedoch: «Einen ‹Trend zur Freikirche› gab es in den Neunzigerjahren, als die Freikirchen insgesamt wuchsen. Seit dem Jahr 2000 entwickelte sich die Zahl der Freikirchen-Angehörigen tendenziell rückläufig.» Bedeutet das jetzt statt Aufschwung gar einen Niedergang?

Quelle: Läderach-Schule in Kaltbrunn wird von Missbrauchsvorwürfen erschüttert / TVO / 22.9.2023

Auch das hält der Experte für unwahrscheinlich: «Niemand tritt aus seiner Kirche aus, weil das Schweizer Fernsehen über eine Sekte kritisch berichtet.» Zudem handelte es sich bei der Domino-Servite-Schule um eine Organisation, die es so gar nicht mehr gibt. Das Missionswerk Kwa Sizabantu, welche die Schule trug, wurde von anderen Kirchen bereits als fundamentalistisch und sektenhaft angesehen," sagt Schmid.

Religion in Zahlen 

Dass sich die Religionslandschaft der Schweiz ändert, ist nichts Neues. Gemäss Bundesamt für Statistik hat sich diese in den letzten 50 Jahren stark gewandelt. So war beispielsweise der Anteil an Personen ohne Religionszugehörigkeit im Jahr 1970 bei nur 1,2 Prozent, während dieser Anteil im Jahr 2021 auf 32,3 Prozent gestiegen ist.

Für einen solchen Wandel sind diverse Faktoren verantwortlich. Vorwürfe und Untersuchungen können zwar zum Wandel beitragen, sind aber dennoch nur ein Faktor von vielen.

veröffentlicht: 28. September 2023 06:44
aktualisiert: 28. September 2023 07:53
Quelle: ArgoviaToday

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