Falscher Briefkasten erwischt

Rechnung zu spät bezahlt: Wer haftet bei Zustellungsfehlern?

· Online seit 13.02.2024, 07:44 Uhr
Plötzlich liegt eine Mahnung im Briefkasten und du fragst dich: Wo ist eigentlich die dazugehörige Rechnung? Hin und wieder passiert es, dass eine solche nicht verschickt wird, verloren geht oder schlichtweg am falschen Ort landet. Ob und wie du dagegen vorgehen kannst, erklärt Rechtsanwalt André Kuhn.
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Hast du schon einmal eine Mahnung erhalten, ohne vorher je eine Rechnung gekriegt zu haben? Das passiert zwar selten, kommt aber durchaus vor. Das hat Today-Leserin Nadia* aus Baden erfahren müssen.

Beim Nachbarn im Briefkasten gelandet

Aus ungeklärten Gründen landete ein Couvert, das eigentlich zu ihr sollte, im Briefkasten der Nachbarn. Weil diese aber gerade länger in den Ferien waren, bemerkte niemand den Fauxpas. Erst Wochen später – als besagte Nachbarn von ihrer Reise zurückkehrten – entdeckten sie das Couvert.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Nadia bereits eine Mahnung erhalten. Eine, von der sie sich nicht erklären konnte, woher sie stammte. Denn: Sie hatte ja gar nie eine Rechnung bekommen. Der Rechnungssteller forderte eine Mahngebühr von rund 30 Franken. Einen Betrag, den Nadia für ungerechtfertigt hielt – schliesslich hatte sie ja keine Möglichkeit, die Rechnung rechtzeitig zu begleichen, welche sie durch die Briefkastenverwechslung gar nie eine erhalten hatte. Aber was tun?

Das ist die rechtliche Grundlage

Wie man in so einer Situation am besten reagiert und was es für juristische Möglichkeiten gibt, erklärt der Aargauer Rechtsanwalt André Kuhn. Grundsätzlich sei zuerst einmal die Ausgangslage zu bewerten und das Obligationenrecht zu konsultieren, rät Kuhn. «Eine Forderung entsteht nicht erst durch die Rechnung, sondern durch den Vertrag. Dieser regelt auch die Fälligkeit der Rechnung», so Kuhn. «Wenn also im Vertrag steht, wann, wie viel und wie bezahlt werden muss, dann muss der Betrag auch ohne Rechnung und pünktlich bezahlt werden.»

Handelt es sich beispielsweise um die Rechnung eines Handyabos, welches schon länger abgeschlossen wurde und monatlich gleich viel kostet, sei es schwierig, etwas gegen die Mahngebühr zu unternehmen. Ein ähnliches Beispiel, bei dem ebenfalls ein sehr klarer Vertrag besteht, ist etwa die Miete oder das Arbeitsverhältnis mit fixem Monatslohn. «Es würde einem nie in den Sinn kommen, dem Arbeitgeber eine Rechnung für den eigenen Lohn zu stellen. Der Arbeitgeber hat eine Bringschuld und muss das Geld pünktlich und in korrekter Höhe auszahlen».

Zurück zu unserem Beispiel: Dass sogenannte Gläubiger, also die, die den Betrag in Rechnung stellen, den Schuldnern – in diesem Fall Nadia – oft auch dann monatlich eine Rechnung schicken, wenn alle Zahlungskonditionen im Vertrag stehen, habe buchhalterische Gründe. Kuhn sagt: «Das vereinfacht die maschinelle Verbuchung der Zahlungen».

So kannst du dich wehren – oder eben nicht

Um einen anderen Fall handelt es sich, wenn der Betrag variieren kann. Beispielsweise, wenn ein Handwerker vorbei kommt und etwas repariert. Das kann je nach Arbeitsaufwand und Firma unterschiedlich teuer werden. Man kann also im Vorhinein nicht exakt wissen, wie hoch die Forderung sein wird und meist auch nicht, bis wann sie beglichen sein muss.

Wenn ich hier also keine Rechnung erhalte, dann kann ich sie auch nicht bezahlen – und eigentlich auch nicht gemahnt werden. Kuhn erläutert: «Erst wenn der Schuldner die Forderung kennt, kann er in Verzug kommen.» Theoretisch kann ich mich also gegen die Mahngebühr wehren. Denn: «Wenn der Pöstler den Brief nicht zustellt, erfüllt er seinen Vertrag mit dem Rechnungssteller nicht.»

Das Problem hierbei: Mit mir als Person, welche die Rechnung zahlen müsste, hat der Pöstler keinen Vertrag. Seine Aufgabe ist es, das Couvert richtig zuzustellen. Diese Verpflichtung hat der Pöstler aber nur gegenüber der Person, die das Couvert abgeschickt hat – in diesem Fall der Rechnungssteller (Gläubiger). Weil mir also de facto kein Unrecht geschehen ist, kann ich auch nicht rechtlich gegen den Pöstler vorgehen.

Mahngebühr anfechten – und auf «Goodwill» hoffen

Einzelfälle sollten sich allerdings auch ausserhalb des Rechtsweges lösen lassen, ist Kuhn überzeugt. «In der Praxis gehe ich davon aus, dass in so einem Fall der Rechungssteller beim ersten Mal sagt, dass er es nicht beweisen kann, dass die Rechnung von der Post zugestellt wurde – und die Mahngebühr zurückzieht.»

Es sei aber auch möglich, rigoroser vorzugehen: «Natürlich kann man die Mahngebühr auch einfach ignorieren und nur den eigentlichen Betrag bezahlen. Der Rechnungssteller muss dann seinerseits beweisen, dass so eine Mahngebühr geschuldet ist.» Dies sei aber die riskantere Variante, weil der Gläubiger als Reaktion den Vertrag kündigen kann.

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Wie kulant der Rechnungssteller ist, sei unterschiedlich. Und «der Goodwill hängt immer auch davon ab, ob man den unbestrittenen Teil der Rechnung direkt gezahlt hat. Wenn man den unbestrittenen Teil, also den ursprünglichen Rechnungsbetrag sofort zahlt und nur den bestrittenen Teil – die Mahngebühr – zurückbehält, drückt der Rechnungssteller noch eher ein Auge zu.»

*Name und Wohnort von der Redaktion geändert

veröffentlicht: 13. Februar 2024 07:44
aktualisiert: 13. Februar 2024 07:44
Quelle: ArgoviaToday

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