Schweiz

Stahl Gerlafingen macht Ernst mit der Massenentlassung – Gewerkschaften sind sauer

68 Kündigungen

Stahl Gerlafingen macht Ernst mit der Massenentlassung - Gewerkschaften sind sauer

30.04.2024, 17:38 Uhr
· Online seit 30.04.2024, 13:28 Uhr
Die angekündigte Schliessung einer der beiden Produktionsstrassen beim Stahlhersteller Stahl Gerlafingen erfolgt nun auf Ende Mai 2024. 68 Personen werden entlassen. Die Gewerkschaften kritisieren das Unternehmen scharf und fordern die Rücknahme der Kündigungen.
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In dem vom Gesamtarbeitsvertrag GAV vorgesehenen Konsultationsverfahren seien mögliche Ansätze zur Vermeidung der Schliessung mit den Sozialpartnern intensiv diskutiert worden, heisst es in der Mitteilung des Solothurner Unternehmens vom Dienstag. Nach gründlicher Abwägung verschiedener Optionen habe der Verwaltungsrat beschlossen, die Schliessung umzusetzen. Mit dem «zwingend notwendigen» Schritt solle der Mittelabfluss aus der defizitären Profilstrasse gestoppt werden.

Keine Alternative

Die verschiedenen von der Politik zugesicherten Massnahmen würden voraussichtlich erst 2025 zum Tragen kommen und damit zu spät, um den Betrieb der Profilstrasse aufrechtzuerhalten, heisst es weiter. «Angesichts der Gesamtsituation ist die Schliessung der Profilstrasse alternativlos, wenn wir die restlichen Arbeitsplätze sichern wollen», wird CEO Alain Creteur in der Mitteilung zitiert.

Für die von der Schliessung direkt Betroffenen soll laut der Mitteilung ein noch auszuhandelnder Sozialplan zum Tragen kommen. Dieser werde gemeinsam mit der Angestelltenkommission verhandelt und solle die Auswirkungen der Entlassungen für die Betroffenen so gut wie möglich abfedern.

Gewerkschaften kritisieren die Entlassungen scharf

Das Konsultationsverfahren zur geplanten Massenentlassung bei Stahl Gerlafingen sei unbefriedigend verlaufen, schreiben sie in ihrer Mitteilung. Die Firma habe wichtige Informationen nur zögerlich oder gar nicht geliefert. So erhielten die Vertreterinnen des Personals keinen Einblick in entscheidende Zahlen oder in den strategisch wichtigen Briefwechsel des Unternehmens mit Bundesrat Rösti, so die Gewerkschaften. Sie sprechen von viel Intransparenz und lückenhafter Information und fordern Stahl Gerlafingen auf, die Entlassungen zurückzunehmen. 

Mehr Entlassungen als nötig?

Die Belegschaft werde bis heute über zentrale Fragen im Unklaren gelassen, schreibren die Gewerkschaften Unia und Syna zusammen mit dem Kaufmännischen Verband weiter. So kommunizierte die Firma die Schliessung des Betriebsteils Profilstrasse. Gleichzeitig umfasse die angekündigte Anzahl Entlassungen aber deutlich mehr Personen, als in diesem Bereich arbeiten. Ebenso bleibe es bis heute im Dunkeln, wie es um die finanzielle Lage der übrigen Produktionseinheiten steht. Anstatt mit den Vertragspartnern des Gesamtarbeitsvertrags der MEM-Industrie Lösungen zu suchen, ignoriere die Firma ihre sozialpartnerschaftlichen Verpflichtungen und wolle ihre Arbeitenden offenbar schnellstmöglich rausschmeissen. Darüber hinaus wolle Stahl Gerlafingen den bestehenden Sozialplan nicht anwenden, der etwa weitreichende Möglichkeiten für Frühpensionierungen vorsehe.

Tiefrote Bilanz

Stahl Gerlafingen macht für die Massnahmen das «seit Mitte 2023 bestehende faktische Importverbot der EU für Schweizer Stahl» verantwortlich. Zudem hätten die «massiven Wettbewerbsverzerrungen durch Industrie-Fördermassnahmen der EU» den Absatz und die Marge des Werks in der Schweiz empfindlich getroffen.

Des weiteren hätten die «zwischenzeitlich horrenden Energiepreise» und die in der Schweiz im Vergleich zu Europa rekordhohen Netzabgaben auf Energie die Bilanz des Stahlherstellers tiefrot werden lassen.

(sda)

veröffentlicht: 30. April 2024 13:28
aktualisiert: 30. April 2024 17:38
Quelle: 32Today

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