Gegen Wohnungsnot

«Stossen nur auf taube Ohren»: Mieterverband mit Aktionsplan nicht zufrieden

13.02.2024, 20:13 Uhr
· Online seit 13.02.2024, 15:26 Uhr
In der Schweiz sollen mehr Wohnungen gebaut werden, vor allem preisgünstige. Das ist das Ziel eines Aktionsplans mit über dreissig Massnahmen. Erarbeitet haben ihn Bund, Kantone, Gemeinden und Verbände. Nicht alle sind gleichermassen zufrieden.
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Die Bevölkerung wächst, ebenso die Wohnfläche pro Kopf. Gebaut wird aber weniger: Kamen 2018 noch 53'000 neue Wohnungen auf den Markt, wurde für 2023 mit noch 43'000 gerechnet. Die Zahl der Bewilligungen für Neubauten sei von 2016 und 2023 um über dreissig Prozent zurückgegangen, heisst es im am Dienstag in Bern präsentierten Aktionsplan.

Verdichten und besser nutzen

Dieser soll für mehr Wohnraum und vor allem mehr Wohnungen zu erschwinglichen Preisen sorgen. Ansetzen will er bei der Verdichtung und besseren Ausnutzung von Bauland, effizienteren Planungs- und Bewilligungsverfahren und der Stärkung der indirekten Wohnbauförderung – soweit die knappen Finanzen es zulassen.

Wie lange die Umsetzung dauert, hängt von den Massnahmen ab. Eine Studie oder ein Leitfaden könnten rasch umgesetzt werden, sagte Wirtschaftsminister Guy Parmelin. Bis aber eine Nutzungsplanung oder ein kommunales Baureglement geändert sei, dauere es länger.

Angesetzt werden soll bei der Entwicklung nach innen: Gebaut werden soll auf erschlossenem Land, und die Nutzungsdichte auf schon bebauten Arealen könnte erhöht werden. An geeigneten Orten sollte geprüft werden, ob vermehrt in die Höhe gebaut werden könne, sagte Parmelin. Auch geringere Grenzabstände seien ein Thema.

Aufgehoben werden könnte die strikte Trennung von Arbeits- und Wohnzonen, damit zum Beispiel Büro- oder Hotelgebäude einfacher zum Wohnen genutzt werden könnten. Was einst dem Schutz vor schädlichen Immissionen diente, sei heute weniger wichtig, da viele gewerbliche und industrielle Tätigkeiten emissionsarm seien, heisst es dazu.

Effizientere Bewilligungsverfahren

Mit dem Planen und Bewilligen von Wohnbauten soll es rascher vorangehen. Verfahren werden zuweilen durch offensichtlich missbräuchliche Einsprachen über Jahre verzögert. Geprüft werden soll, ob das Interesse an einer genügenden Versorgung mit Wohnungen allenfalls im Gesetz verankert werden soll.

Einsprachen, die nur dazu dienen, Projekte zu verhindern, soll es weniger geben. Es soll darum geprüft werden, ob Einsprache- und Rechtsmittelmöglichkeiten gebündelt und reduziert werden können; auch eine Kostenauflage wird erwähnt. Eine materielle Einschränkung soll es aber nicht geben.

Der Hauseigentümerverband Schweiz pochte in einer Mitteilung auf diese Vorschläge, verlangte aber mehr. Es brauche «vernünftige» Lärmschutzvorschriften und Lockerungen beim Denkmal- und Heimatschutz, schrieb er.

Städte nicht zufrieden

Angesetzt werden soll zudem bei der Stärkung der indirekten Wohnbauförderung. Doch die knappen Finanzen setzen Grenzen: Auf einen Fonds, der gemeinnützigen Bauträgern helfen würde, an Baugrund zu kommen, soll verzichtet werden. Nicht reaktiviert werden sollen Darlehen und Bürgschaften zugunsten preisgünstiger Wohnungen.

Nicht zufrieden ist der Verband Wohnbaugenossenschaften Schweiz: «Wir hoffen auf mehr Tempo», sagte Verbandspräsidentin und SP-Ständerätin Eva Herzog. Das Fehlen des Fonds für gemeinnützigen Wohnungsbau sei bedauerlich. Zu begrüssen sei die Massnahme, bei Aufzonungen einen Anteil an preisgünstigem Wohnraum vorzuschreiben.

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Auch die Städte hätten das Vorkaufsrecht für Gemeinden gewünscht und dazu die Formularpflicht, also die Pflicht, neuen Mietern den Zins ihrer Vorgänger anzugeben. Diese Massnahmen seien im Aktionsplan stark zurückgestuft worden, kritisierte Corine Mauch, Vizepräsidentin des Städteverbandes und Zürcher Stadtpräsidentin.

«Augenwischerei»

Der Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete kritisiert, es brauche mehr als den Aktionsplan, damit junge Menschen in Tourismusorten auf Dauer zu erschwinglichen Preisen wohnen könnten. Genannt werden Anpassungen im Raumplanungs- und im Zweitwohnungsgesetz.

Der Mieterinnen- und Mieterverband sprach von «Augenwischerei». Rasche und wirksame Massnahmen, die es erleichtere, eine bezahlbare Mietwohnung zu finden, enthalte der Aktionsplan nicht. Statt Verantwortung zu übernehmen, delegiere der Bund das Problem an Kantone und Gemeinden.

(sda/raw)

veröffentlicht: 13. Februar 2024 15:26
aktualisiert: 13. Februar 2024 20:13
Quelle: BärnToday

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