Tschüss Knüppel

Turbo-Schüler vermiesen Fahrlehrern Geschäft – neue Hürde folgt

24.04.2024, 08:46 Uhr
· Online seit 23.04.2024, 06:22 Uhr
Handgeschaltete Autos sind am Aussterben. Fahrschulen droht deshalb ein weiterer Einbruch bei der Anzahl Fahrstunden. Eine neue Hürde in der Ausbildung könnte dies ändern.
Anzeige

Autos mit Knüppel zum Gangwechsel sind schon bald Modelle für das Museum. Lediglich noch 7,6 Prozent aller neu immatrikulierten Personenwagen waren im Jahr 2023 mit einer Handschaltung ausgestattet. 2021 traf dies hingegen noch auf 12 Prozent zu, wie eine Auswertung von Auto Schweiz für das Branchenportal Verkehrsmonitor von Tamedia zeigt. Grund dafür ist die Entwicklung in Richtung automatisiertes Fahren, wofür das Automatikgetriebe notwendig ist.

Für Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer wird sich damit ein Trend verstärken. «Weil die Schülerinnen und Schüler beim Fahren mit Automatikgetriebe weniger Fahrstunden brauchen, ist die Anzahl Fahrstunden bei uns schon jetzt eingebrochen», sagt Willi Wismer, Präsident des Zürcher Fahrlehrerverbands zu ZüriToday. Manche Fahrlehrerinnen und -lehrer hätten ihre geschalteten Wagen verkauft. «Wegen der Kosten wie Service, Parkplatz und Abschreiber rentiert es sich nicht mehr, Stunden auf Schaltung anzubieten.»

Seit 2019 dürfen auch Lenker, welche die praktische Prüfung auf einem Automaten abgelegt haben, ein Fahrzeug mit Handschaltung fahren. In der Folge ist die Nachfrage nach Fahrstunden auf Schaltung gesunken. Willi Wismer: «Nur ganz wenige der Kunden, wie zum Beispiel Garagen, möchten handgeschaltete Autos fahren können.»

«Gibt Fahrlehrer, die Job aufgeben mussten»

Im Schnitt bräuchten die Fahrschülerinnen und -schüler zwischen 30 und 40 Prozent weniger Stunden als früher, sagt Willi Wismer. «Kuppeln und Schalten ist anspruchsvoller. Nur schon das Anfahren braucht Übung.» Dass die Schülerinnen und Schüler dank Automaten durch die Fahrprüfung flitzen, hat manchen Fahrlehrer sogar den Job gekostet. «Es gibt Fahrlehrer, die den Job aufgeben mussten», sagt Wismer. Andere betreiben ihre Fahrschule weiter und leben am Existenzminimum. Einigen Fahrlehrern gehe es nach wie vor gut.

Ähnlich sieht es auf nationaler Ebene aus. Die Umstellung auf Automatikgetriebe zeichne sich seit längerem ab, sagt Michael Gehrken, Präsident von L-drive Schweiz, des Dachverbands der Fahrlehrerorganisationen. Die Umstellung werde durch die Transformation zur Elektromobilität zusätzlich beschleunigt, weshalb sich die Fahrlehrerinnen und -lehrer seit einigen Jahren darauf einstellen könnten. «So schaffen Fahrschulen selbst mehrheitlich nur noch Autos mit Automatikgetriebe an.»

Scan den QR-Code

Du willst keine News mehr verpassen? Hol dir die Today-App.

Eine Abschaffung der Fahrstunden mit Handschaltung ist laut Gehrken trotzdem nicht geplant. «Fahrstunden mit handgeschalteten Autos werden explizit empfohlen, wenn Neulenkende im Alltag damit fahren wollen», sagt der Präsident. Für die Handschaltung fehlten notwendige Automatismen, was im Strassenverkehr zu gewissen Risiken führe. «Wer sich aufs Schalten konzentrieren muss, kann dem übrigen Verkehr zwangsläufig weniger Aufmerksamkeit zuwenden.»

Neue Assistenzsysteme

Willi Wismer rechnet damit, dass das automatisierte Fahren die Zukunft sein wird. «Bis es den ‹Privatbus ohne Fahrer› gibt, ist es aber noch ein langer Weg.» Die neuen Assistenzsysteme überforderten viele Lenkerinnen und Lenker. «Daher ist und wird der Umgang mit den Assistenzsystemen immer mehr einen wichtigen Teil der Fahrausbildung ausmachen.»

Bereits wartet eine neue Hürde auf die künftigen Lernfahrenden. Etwa das Anfahren mit Handschaltung falle in der praktischen Fahrausbildung zwar weg, sagt Michael Gehrken. Dieser Wegfall schaffe aber willkommenen Raum für neue Ausbildungsinhalte, wie zum Beispiel den Umgang mit Fahrassistenzsystemen. Voraussichtlich ab 2025 ist der richtige Umgang damit Teil der theoretischen und praktischen Prüfung.

veröffentlicht: 23. April 2024 06:22
aktualisiert: 24. April 2024 08:46
Quelle: ZüriToday

Anzeige
Anzeige
baerntoday@chmedia.ch