Wie soll die AHV langfristig gesichert werden?
Sandra Hess (FDP) ist froh über die Einführung des Rentenalters 65 für Frauen und Männer. Vor einem Jahr stimmte die Stimmbevölkerung dem Vorhaben zu. «Aber heute haben wir auf drei Einzahlende einen Bezüger, 2040 sind es voraussichtlich noch zwei Einzahlende pro Bezüger», gibt sie zu bedenken. Das Sozialwerk müsse deshalb auf gesunde Füsse gestellt werden.
Dieser Meinung ist auch Lorenz Hess (Die Mitte). Er glaubt aber nicht an eine baldige Erhöhung des Rentenalters auf 66, wie sie die Jungfreisinnigen fordern. Denn mit so einer «Salamitaktik», wie er sie nennt, würde «ein Versprechen gebrochen». Er ist allerdings dafür, den AHV-Bezug flexibler zu gestalten. Angesichts des Fachkräftemangels soll es attraktiver sein für jene, die länger arbeiten wollen.
Die Flexibilisierung und langfristige Finanzierung sei sicher ein Thema, sagt auch Bernhard Pulver (Grüne). Aber man solle den Leuten nicht Angst machen: «Die AHV hat gute Reserven.» Er spricht sich für einen Ausbau der ersten Säule und für eine 13. AHV-Rente aus. In der neuen Legislatur das Rentenalter zu erhöhen, sieht er dagegen als unrealistisch, «weil es politisch gar nicht gewünscht ist». Es brauche andere Finanzierungsmöglichkeiten – etwa über die Wirtschaft.
«Mittelfristig muss niemand Angst haben, dass er die Rente nicht erhält», sagt Marc Jost (EVP). Der kürzlich gewährte Teuerungsausgleich sei ein wichtiges Signal gewesen. Der Vertrag zwischen Alt und Jung müsse aber ausgewogen sein. Man dürfe nicht «zu viel, zu schnell wollen». Irgendwann müsse man das Rentenalter anpassen, sagt auch er – er sei aber für eine flexible Lösung.
Werden wir die gesetzten Klimaziele erreichen?
Sandra Hess ist überzeugt, «dass wir mit dem Klima- und Innovationsgesetz, das wir im Juni angenommen haben, auf einem guten Weg sind.» So bestehe ein Anreizsystem für Wirtschaft und Forschung. «Es braucht aber sicher noch einen Technologiesprung.» Die Schweiz müsse noch «den Turbo zünden», wie sie es formuliert.
Auch Lorenz Hess verweist auf den Volksentscheid, den es umzusetzen gelte. Geothermie, Solar, Wind, Wasser; an diesen vier Erneuerbaren führe kein Weg vorbei. «Es gibt Berechnungen, dass dies reicht – auch wenn es länger geht.» Zu Atomkraft könne man sicher forschen und bei einer «unverfänglichen» Lösung des Abfallproblems über den Bau eines neuen AKW reden. Aber der ginge Jahrzehnte und momentan würde das niemand finanzieren.
«Das Potenzial der Erneuerbaren ist wirklich da», sagt Bernhard Pulver. Wo aber noch riesiges Potenzial drinstecke, sei im Effizienzgewinn: «Man kann laut Studien 40 Prozent vom heutigen Stromverbrauch einsparen, dies ohne Komforteinbussen, man muss es einfach machen.»
Marc Jost glaubt auch an die Erreichbarkeit der Klimaziele, ist aber gegen Maximalforderungen: «Nicht auf jedes Dach, an jede Fassade Solaranlagen, sondern mit Augenmass vorgehen, sodass die Bevölkerung motiviert ist und das mitträgt.» Deshalb sei er für Kompromisse, die keine Referenden provozierten.
Quelle: TeleBärn
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Wie viel Zuwanderung verträgt die Schweiz?
Sandra Hess macht sich Sorgen angesichts der vielen Flüchtlinge, die in die Schweiz gelangen. Sie sehe als Stadtpräsidentin von Nidau, wie verzweifelt Asylunterkünfte gesucht und nicht gefunden würden. «Das geht so nicht, wir können das nicht verkraften.»
Lorenz Hess rechnet auch nicht mit einem Rückgang der Zahlen. Bei der Kosovo-Krise habe man einen Plan gehabt, «wer wie wann wieder zurückmuss», so Hess. «Darüber müssen wir auch reden können, beispielsweise mit der Ukraine.» Ausserdem müsse man unterscheiden, wer ein «echter» Asylbewerber sei und wer nicht. Wer sich nicht an die Regeln halte, müsse zurück.
Bernhard Pulver sieht die Schweiz in der Pflicht, zu schauen, was man dazu beitragen könne, dass solche Flüchtlingsströme gar nicht erst entstehen. Andere Länder hätten zudem mehr Menschen aufgenommen als die Schweiz – auch ärmere Länder.
Marc Jost vergleicht die Schweizer Migrationspolitik mit der anderer Länder Europas. «Klar, wir haben grosse Herausforderungen, aber wir managen das im Grossen und Ganzen gut.» Es spricht sich für mehr Kooperation mit Italien aus angesichts der Krise im Mittelmeer. Das ermögliche, dass illegale Asylsuchende von Italien zurückgenommen werden.
Was halten Sie von der EU-Politik des Bundesrats?
Der Weg der bilateralen Verträge habe gut funktioniert. Diesen müsse man wieder aufnehmen, sagt Sandra Hess. Sie sei klar gegen Verhandlungen für einen EU-Beitritt, hält sie fest. Aber die aktuelle Situation, ohne Horizon- und Erasmus-Teilnahme, sei für den Wirtschafts- und Forschungsstandort Schweiz schwierig. «Es braucht Klarheit, und das rassig.»
Bernhard Pulver findet es nicht gut, dass der Bundesrat die Verhandlungen zum Rahmenabkommen abgebrochen hat. Das sei ein grosser Fehler gewesen. «Wir sind angewiesen auf geregelte Beziehungen zur EU.» Nun müsse man neue Wege finden.
Auch Marc Jost war enttäuscht darüber. «Der Bundesrat war zu wenig mutig, hat zu wenig vorwärtsgemacht.» Das neu gewählte Parlament werde Druck aufbauen müssen, «sodass wir wieder ein Abkommen haben.» Es brauche Kompromisse, die das Volk mittrage.
«Zu wenig Mut» lässt Lorenz Hess nicht gelten: «Es ist ein klassisches Scheitern gewesen, weil von links und rechts so viel Druck gemacht wurde.» Bei einem Vertrag müssten beide Seiten etwas nehmen und etwas geben. «Wir leisten uns hier einen Sturheitsluxus.»