Familie und Beruf

Wegen Familien-Falle flüchten Schweizer in den Norden

15.05.2023, 16:28 Uhr
· Online seit 14.05.2023, 19:30 Uhr
Skandinavien ist für Schweizer Auswanderer und Auswanderinnen ein beliebtes Ziel. Manche zieht es laut einer Auswanderungs-Beratung nur wegen der fortschrittlichen Sozialpolitik dorthin. Tatsächlich bietet Schweden ein Familienparadies.
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Auswandern ist bei Herr und Frau Schweizer so beliebt wie noch nie. Ende 2022 überstieg die Zahl der Auslandschweizerinnen und -schweizer erstmals die 800'000er-Marke. Damit wanderten zwischen den Jahren 2002 bis 2022 rund ein Vierteil mehr aus.

Zugenommen hat in diesem Zeitraum auch die Zahl der Schweizerinnen und Schweizer, die es nach Schweden zieht. Letztes Jahr hatten über 6400 von ihnen ihren Wohnsitz in Schweden, während es 2002 noch 4200 waren.

Spitzenreiter in Rankings

Zunehmend beliebt sind auch Dänemark, Finnland und Norwegen. Dabei handelt es sich um Länder, die bei der Familienfreundlichkeit in internationalen Rankings Spitzenreiter sind. Genau aus diesem Grund flüchten einige Menschen in der Schweiz nach Skandinavien.

Die Soliswiss Genossenschaft berät Auswanderungsfreudige. «Wir haben aber immer mal wieder Auswanderer und Auswanderinnen, die zum Beispiel Schweden oder Norwegen aus Gründen der fortschrittlichen Sozialpolitik, der daraus resultierenden starken sozialen Sicherheit und dem insgesamt guten sozialen System als künftiges Wohnland in Betracht ziehen», sagt Mediensprecherin Eveline Zurwerra.

«Meine Work-Life-Balance könnte nicht besser sein»

Dass das Bild vom Familienparadies Schweden nicht trügt, kann Ursina Battaglia bestätigen. 2015 zog die Bündner Kinderärztin mit ihrer Familie nach Stockholm. In die Schweiz zurückzukehren, ist für sie unvorstellbar. «Meine Work-Life-Balance könnte nicht besser sein», sagte sie. Kürzlich schwärmte sie im «Tages-Anzeiger» von den «grossartigen Arbeitsbedingungen» in Schweden. Als sie noch in der Schweiz arbeitete, schob sie im Spital Überstunde um Überstunde, die sie kaum kompensieren konnte.

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Heute dagegen arbeite sie auf dem Papier viel mehr als früher und sei trotzdem viel entspannter, erzählte Battaglia, die Mutter von drei Kindern ist. «Das Arbeitsleben richtet sich nach der Familie – und nicht umgekehrt.» Auch ihr Mann, der für Coca-Cola arbeitet, kommt pünktlich nach Hause, seit die Familie nach Schweden gezogen ist. «Wenn der normale Arbeitstag zu Ende ist, geht man nach Hause.»

Elternzeit und Kitas

In der Schweiz haben erwerbstätige Mütter Anspruch auf einen bezahlten Urlaub von 14 Wochen, Vätern stehen zwei Wochen zu. In Schweden können Eltern gemeinsam bis zu 480 Tage Elternurlaub beziehen. In der schwedischen Elternzeit sieht die ausgewanderte Kinderärztin nur Vorteile. Als Beispiel erwähnt sie, dass Väter im Alltag der Kinder viel präsenter seien.

Zudem profitiert die Familie in Schweden von einem stark ausgebauten Kita-Angebot, wo der Staat den grössten Teil der Kosten übernimmt. In der Schweiz dagegen sprengt der Kita-Besuch das Budget vieler Eltern. In der Folge hängen oft die Frauen ihren Job ganz oder teilweise an den Nagel. Die Kita-Initiative der SP fordert unter anderem, dass die Betreuungskosten zehn Prozent des Einkommens der Eltern nicht überschreiten dürfen.

Auf dem letzten Platz

Für die Schweiz besteht noch viel Potenzial in Sachen Vereinbarkeit von Familie und Beruf. In der Rangliste der Expat-Versicherungsgesellschaft William Russell landete die Schweiz bei der Familienfreundlichkeit auf Platz sieben. Die ersten drei Plätze belegen Island, Dänemark und Schweden. Immerhin rangiert die Schweiz damit noch in der Kategorie der «weltweit besten Länder, um ein Kind aufzuziehen im Jahr 2023».

Schlecht schneidet die Schweiz auch in einer Unicef-Studie zur Familienfreundlichkeit ab. Die 2019 veröffentlichte Studie verglich 30 europäischen Länder – Schlusslicht ist die Schweiz.

veröffentlicht: 14. Mai 2023 19:30
aktualisiert: 15. Mai 2023 16:28
Quelle: Today-Zentralredaktion

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