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Wegen SVP-Imark stösst Brotz in der Klima-«Arena» an seine Grenzen: «Halten Sie d...»

· Online seit 20.04.2024, 08:16 Uhr
Nach dem Sieg der Klimaseniorinnen am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eskaliert die SRF-«Arena» komplett. SVP-Nationalrat Christian Imark lässt nämlich nur eine Person ausreden. Und das ist nicht Moderator Sandro Brotz.
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Macht die Schweiz genug für den Klimaschutz? Dieser Frage widmete sich die SRF-«Arena» diesen Freitag. Obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) genau diese vergangene Woche klar beantwortet hatte: Nein, die Schweiz ergreife nicht ausreichend Massnahmen gegen den Klimawandel, um seine Bevölkerung vor diesem zu schützen. Damit verletze der Bund das Menschenrecht auf Respekt für das private und das Familienleben.

Geklagt hatten die Klimaseniorinnen, ein Verein, den Greenpeace ins Leben rief. Dies, weil ältere Frauen bereits heute am stärksten unter dem Klimawandel leiden: Mit den immer häufigeren und intensiveren Hitzewellen steigt ihr Gesundheits- und Sterberisiko.

Das Urteil des EGMR ist bindend. Die Schweizer Politik ist daher verpflichtet, ihre Klimapolitik zu überprüfen und stärker voranzutreiben. In der SRF-«Arena» hätte man deshalb über das «Wie» diskutieren können. Tat man aber nicht. Stattdessen stritten sich die folgenden Gäste lieber ein Mal mehr über das «Weshalb»:

  • Christian Imark, SVP-Nationalrat Kanton Solothurn
  • Nicola Siegrist, Präsident JUSO-Schweiz und Kantonsratsmitglied des Kantons Zürich
  • Christian Wasserfallen, FDP-Nationalrat Kanton Bern
  • Aline Trede, Fraktionspräsidentin Grüne und Nationalrätin

Da wo normalerweise die Mitte platziert ist, zwischen Moderator Sandro Brotz und einem Vertreter der SP, steht an diesem Abend eine Grüne, Nationalrätin Aline Trede. Und das ist gut so. Denn die Stimmung im Studio 8 ist den ganzen Abend gehässig. So gehässig, dass nur Trede es schafft, in der Männerrunde für Ruhe und Sitte zu sorgen. Etwas, was an diesem Abend nicht einmal mehr Brotz hinbekommt.

Ihm rutscht sogar fast ein «Halten Sie die Schnorre» raus. Gerichtet an SVP-Nationalrat Christian Imark.

Weil Imark es über die ganze Sendung hinweg kaum schafft, genau das einfach mal zu tun. Den Mund halten. Seine politischen Gegner ausreden zu lassen. Obwohl Brotz ihn mehrmals ermahnt.

Imark ruft ständig rein. Am liebsten irgendetwas über AKWs. Und am liebsten, wenn er auch gleich noch gegen JUSO-Präsident Nicola Siegrist schiessen kann.

«Sie sagen, andere Länder machen es besser. Entschuldigung?», ruft Imark etwa. Siegrist solle mal den Pro-Kopf-CO2-Ausstoss in Deutschland anschauen. Der sei mehr als doppelt so hoch als jener in der Schweiz. Dies, weil man da noch immer mit Kohle und Gas Strom produziere. «Wenn wir nicht bald ein neues AKW bauen, werden wir in der Schweiz auch bald ein Gaskraftwerk bauen müssen.»

«Haben Sie eigentlich eine Liste? Zehnmal in dieser Sendung AKW sagen und dann können wir das Thema endlich abhaken?», hält Siegrist dagegen. Er provoziert Imark an diesem Abend besonders gern. Und dieser geht jedes Mal darauf ein.

Imark wirbt für AKWs

Brotz versucht, die Diskussion zu versachlichen. Zückt eine Statistik, die belegt: Die Schweiz verursacht über doppelt so viele Emissionen wie der weltweite Durchschnitt.

An diesem Punkt der «Arena» lässt die Sendungsleitung Imarks Mikrofon ausschalten. Aber der unterbricht Brotz trotzdem: «Ja, aber Herr Brotz!» – «Ja, Herr Imark?», antwortet Brotz sichtlich darum bemüht, seine Nerven zu behalten. Vor allem, weil auf Imarks Einwurf gar nichts Wirkliches folgt. Denn nun bricht bei allen Gästen der Damm.

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Imark raubt Brotz' letzten Nerv

Imark, Siegrist, Trede, Wasserfallen – alle sprechen durcheinander. Darüber, ob diese Statistik auch die Emissionen zeigt, die die Schweiz im Ausland produziert oder eben nicht (tut sie).

Siegrist setzt sich durch. Trede und Wasserfallen verstummen. Nur Imark redet weiter dazwischen. Mit abgestelltem Mikrofon.

Nachvollziehbar, dass es da auch mal einem Profi wie Brotz den Deckel lupfen kann. Er kann sich aber gerade noch retten. Aus seinem Mund kommt kein «Halten Sie die Schnorre!» Sondern: «Halten Sie den Schnauf für nachher! Wirklich!»

Brotz: «Halten Sie den Schnauf für nachher!»

Trede und Imark krümmen sich vor Lachen. Der Saal atmet auf. Der Beinahe-Faux-Pas kommt gelegen. Er lockerte die gehässige Stimmung auf. Aber leider nicht für lange.

Imark und Siegrist gehen sich kurz darauf wieder an die Gurgel. Und zwar bei der Frage, inwiefern der Schweizer Finanzplatz und die Schweizer Nationalbank zu klimafreundlichen Investitionen verdonnert werden dürfen.

Wasserfallen wirft ein, die Schweizer Nationalbank habe sich nur um die Preisstabilität in der Schweiz zu kümmern. Sie solle nicht «verpolitisiert» werden. Das würde der Wirtschaft, ja sogar den KMUs, schaden.

Siegrist aber findet: Die Preisstabilität in der Schweiz sei verglichen mit einem erodierenden Planeten ein kleines Problem. Imark ruft – natürlich – ohne Mikrofon durchgehend dazwischen. Siegrist spricht weiter über Regulationen, die der Schweizer Finanzplatz braucht, damit weniger in klimaschädliche Firmen investiert würde.

Er versucht, ob den ständigen Zwischenrufen Imarks ruhig zu bleiben. Doch es klappt nicht: «Also Herr Imark, dafür, dass Sie mir das am Anfang vorgeworfen haben, sind Sie aber erstaunlich frech.»

Siegrist: «Sie sind erstaunlich frech, Herr Imark!»

Ein Ansporn für Imark, noch frecher zu werden. Darum nutzt er seine offizielle Redezeit mit Mikrofon dafür, Siegrist an den Kopf zu werfen: «Ich weiss nicht, ob Sie jemals gearbeitet haben in Ihrem Leben.»

Da lupft es Brotz abermals den Deckel: «Es hat doch nichts mit dem Thema zu tun, wie viel er schon gearbeitet hat.» Imarkt: «Doch!» Brotz: «Neeein!»

Brotz: «Nein, Herr Imark!»

Die Leserinnen und Leser dieser SRF-«Arena»-Review werden jetzt merken: Eine wirkliche Diskussion kann so überhaupt nicht stattfinden.

Am Ende schafft es auch nur Aline Trede tatsächlich etwas beizusteuern, das im Kopf bleibt: «Können wir mal über die Chancen sprechen? Oder hat das hier keinen Platz?»

Klimaschutz könne eine riesige Chance sein. Für neue Arbeitsplätze, für Investitionen in erneuerbare Energien. Wenn man jetzt nichts gegen den Klimawandel mache, werde es am Ende gemäss Berechnungen sechs Mal teurer. «Und hier finden wir uns ja vielleicht wieder. Bei den Investitionen in neue Technologien», sagt Trede in Richtung Imark und Wasserfallen mit einem warmen Lächeln.

Trede darf endlich ausreden

Dass Trede diese Ausführungen beenden kann, liegt vor allem an einem: Imark unterbricht sie nicht. Sie ist an diesem Abend die Einzige mit diesem Privileg. Denn Imark kann Trede – abseits des Parlaments und der «Arena» – gut leiden. Und sie ihn. Das betonen die beiden auch während der Sendung.

Diese gegenseitige Wertschätzung zu hören – und vor allem zu sehen – tut nicht nur der Sendung gut. Sie ist auch Balsam für das geschundene Publikum. Und sie macht nach einer so gehässigen Sendung ein wenig Hoffnung. Darauf, dass unsere Politikerinnen und Politiker hinter den Kulissen doch noch fähig sind, miteinander Kompromisse auszuhandeln. Lösungen zu finden. Einander zuzuhören – egal wie weit die Haltungen ihrer Parteien auseinanderliegen.

(Aylin Erol/Watson)

veröffentlicht: 20. April 2024 08:16
aktualisiert: 20. April 2024 08:16
Quelle: watson.ch

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