«Waschküchendiktatur»

Fremde wundern sich über geteilte Waschmaschinen in der Schweiz

· Online seit 27.01.2024, 11:11 Uhr
Die Waschmaschine mit den Nachbarn teilen, kann echt lästig sein. Die Gemeinschaftswachküche ist aber eigentlich etwas Besonderes, etwas Schweizerisches. Das glaubst du nicht? Lass dich davon überzeugen.
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Schnell die Treppe runterrennen und hoffen, dass die Waschmaschine im Keller frei ist, sich mit den Nachbarn streiten, weil ihre Kleider an deinem Waschtag in der Maschine Runden drehen oder sich vor nicht gereinigten Trommeln voller Haare und klebriger Seife ekeln. Solche Szenarien kennen wohl alle, die in einer Mietwohnung mit geteilter Waschküche leben.

Der Waschplan ist je nach Sprachregion anders organisiert

In Schweizer Haushalten ist es gang und gäbe, dass die Waschmaschine – oder mehrere – im Keller steht und von allen Parteien im Haus benutzt wird. Da gemäss Bundesamt für Statistik zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung in einer Mietwohnung lebt, nutzen dementsprechend viele eine gemeinsame Waschmaschine. Gemäss einer Online-Befragung von Homegate nervt sich ein Drittel aller Leute in der Schweiz, die eine kollektive Waschküche benutzt, mindestens einmal jeden Monat über diese.

Der häufigste Grund für das Waschmaschinen-Ärgernis ist die mangelnde Reinigung nach der Benützung. In der Deutschschweiz ist der Waschplan mit Eintragepflicht die häufigste Variante der Organisation, während in der Romandie oft fixe Zeiten gelten. Im Tessin werden die Waschzeiten mündlich abgesprochen.

Ein literarisches Werk zu Ehren der Schweizer Waschküche

Die kollektive Waschküche hat schon in der Schweizer Literatur berühmte Zeilen hinterlassen. So schrieb der Schweizer Autor Hugo Lötscher schon 1983 eine Kurzgeschichte mit dem Titel «Der Waschküchenschlüssel». Auf humorvolle Art beschreibt er die wichtige Rolle dieses Schlüssels, die Macht, die er besitzt und die Ordnung, die er fordert.

«Der Waschküchenschlüssel hat Bedeutung über seine blosse Funktion hinaus, eine Tür zu öffnen; er ist ein Schlüssel für demokratisches Verhalten und ordnungsgerechte Gesinnung», heisst es etwa in der Geschichte. Beim Waschküchenschlüssel gehe es um eine «Grunderfahrung helvetischen Verhaltens».

Kollektive Waschküchen gibts sonst nicht in Europa

Noch nicht davon überzeugt, dass die geteilte Waschküche eine Schweizer Eigenheit ist? Naja, Swatch-Chef Nick Hayek gab einst ein Interview in der Waschküche. Das sei für ihn ein Ort, der wie kein anderer die Schweiz verkörpere. «Die Schweizer Waschküche inspiriert mich, weil sie so einzigartig auf der Welt ist.»

Und tatsächlich. Schaut man zu den Nachbarn rüber, so kennen weder die Franzosen noch die Italienerinnen oder Österreicher eine geteilte Waschküche. In 97 Prozent der deutschen Haushalte steht laut der «NZZ» eine eigene Waschmaschine. Auch in weiteren europäischen Ländern sind die Wohnungen meist mit einem eigenen Gerät ausgestattet. Oder man benutzt einen öffentlichen Waschsalon. Eine Weltenbummlerin, die aktuell in Zürich lebt, sagt gegenüber Today: «In Spanien teilen die Leute die Waschmaschine nicht. Auch in Luxemburg und in den Niederlanden ist es üblich, eine eigene in der Wohnung zu haben. In der Schweiz war das ein grosser Kulturschock für mich!»

Die letzten Argumente für die helvetische Eigenheit Gemeinschaftswaschküche

Auch in den Medien findet die kollektive Waschküche immer wieder einen Platz. In Oberwinterthur eskalierte ein Streit zwischen zwei Frauen wegen des Waschplans so sehr, dass die Polizei eingreifen musste.

Die «Süddeutsche Zeitung» schrieb in einer Serie «So wohnt die Welt» über die strengen Waschregeln in der Schweiz. Für Fremde seien die «Benimmregeln für die Waschküche» gewöhnungsbedürftig. Die Zeitung beschrieb es als Glück, wenn man dann waschen dürfe, wenn die Maschine frei sei. Pech hingegen habe man, wenn man einen bestimmten Waschtag zugeteilt bekomme. Das sei eine «Waschküchendiktatur».

Schliesslich widmet Wikipedia Gemeinschaftswaschküchen in der Schweiz einen umfangreichen Artikel: über den Waschplan, Waschzeiten und soziale Aspekte inklusive Ursachen für Konflikte. Tja, wenn man an das Buch des südkoreanischen Wirtschaftswissenschaftlers Ha-Joon Chang denkt, wen wunderts? In «23 Things They Don’t Tell You About Capitalism» schreibt er nämlich, die Waschmaschine habe die Welt stärker revolutioniert als das Internet.

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veröffentlicht: 27. Januar 2024 11:11
aktualisiert: 27. Januar 2024 11:11
Quelle: ZüriToday

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